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30.03.2024

Blaulicht-Organisationen wappnen sich für Flugzeugabsturz

In der «grossen Wagenburg» hat sich die Gesamteinsatzleitung eingerichtet (von links): Kapo, Schutz & Rettung, Feuerwehr.
In der «grossen Wagenburg» hat sich die Gesamteinsatzleitung eingerichtet (von links): Kapo, Schutz & Rettung, Feuerwehr. Bild: SRZ
Rund um den Flughafen ist ein Flugzeugabsturz zwar nicht wahrscheinlich, aber plausibel. Schutz & Rettung Zürich und die Feuerwehren von Opfikon und Wallisellen haben sich gemeinsam mit einer grossen Übung darauf vorbereitet.

Roger Suter

Kürzlich haben verschiedene Blaulichtorganisationen östlich von Kloten einen Flugzeugabsturz simuliert, illustriert durch Fotomontagen und Animationen am Bildschirm, welche in modernen Fahrzeugen der Einsatzleitungen – nebst Papier und Filzstiften – vorhanden sind: Ein Airbus A320 ist beim Anflug von Osten auf Piste 28 vom Radar verschwunden, fünfeinhalb Meilen (rund 10 Kilometer) von der Piste 28 entfernt. Die Maschine hat dabei eine brennende Schneise in den Wald geschlagen, ist anschliessend über eine Wiese geschlittert und mit dem Vorderteil des Rumpfes in einem Umspannwerk zum Stillstand gekommen. Deshalb gesellten sich zum Feuer im Wald und beim Werk auch noch Gefahren durch Starkstrom sowie Verletzte in einer teilweise ein­gestürzten Waldhütte im betroffenen ­Gebiet. Auch im Flugzeug selber hat es Tote und Verletzte gegeben.

All diese Informationen sind in einem Übungsdrehbuch festgehalten. Ferner gibt es Meldungen und Funksprüche mit neuen Aufgaben, die zu einer bestimmten Uhrzeit an bestimmte Verantwortliche abgesetzt werden und die Situation verändern können – etwa der Anruf eines Landwirts, dass Passagiere unter Schock auf seinem Hof in der Nähe aufgetaucht sind. Eingespeist werden sie von verschiedenen «Regisseuren» vor Ort.

Feierabendstau und Suchfahrten

Für die Kader der Feuerwehren, Rettungsdienste und Polizeikräfte, welche zur Übung aufgeboten worden waren, war ­einige Zeit unklar, wo genau das Flug-zeug niedergegangen war. «Das kann durchaus sein», so Thomas Hauert, Autor des Drehbuchs und «Chefregisseur» des Abends. «Die Fluglotsen sehen einfach, wo das Flugzeug vom Radar verschwunden ist.» Vergangene Woche sind deshalb mehrere Fahrzeuge losgefahren, um die genaue Absturzstelle zu suchen – «bei einer Übung natürlich ohne Blaulicht», ergänzt Oberleutnant Thomas Hauert. Das hiess aber auch, dass wegen des Feierabendverkehrs nicht alle gleichzeitig vor Ort waren, was ebenfalls der Realität entspräche.

Dann müssen Absprachen getroffen werden: Welche Feuerwehr kümmert sich um den Waldbrand, die Waldhütte, das Umspannwerk? Wo bringen wir Verletzte hin? Über welche Wege? Wo ist es gefährlich? Wo ist die Einsatzleitung? «All das muss auch im Ernstfall möglichst schnell geschehen», betont Thomas Hauert, «auch im Gelände und wenn es dunkel wird.» Ein Grund, weshalb solche Übungen bevorzugt noch zur Winterzeit stattfinden. Die Einsatzleitung unterteilt das Gebiet dann in Abschnitte, weist die anstehenden Aufgaben zu und fordert bei Bedarf Verstärkung, hier «Einsatzmittel» genannt, an. «Gerade für die Sanität ist es anspruchsvoll, wenn es verschiedene Schadensplätze gibt», begründet Thomas Hauert die Vielzahl von Schauplätzen.

Mit von der Partie waren auch Mitarbeitende von Skyguide und von der Einsatzleitzentrale, um etwa den Funkverkehr so realistisch wie möglich zu gestalten. Und für Fragen zur Elektrizität waren Spezialisten des Elektrizitätswerks und der Netzgesellschaft zugegen. «Bei einer Stabsrahmenübung geht es darum, dass die Führungskräfte der Blaulichtorganisationen, die bei einem Flugunfall aufgeboten würden, ihre Zusammenarbeit üben», erläutert Hauert. Hier nicht eingesetzt werden die Feuerwehrleute an der Front, was neben dem Aufwand auch Wartezeiten vermeidet, indem ein simulierter Brand innert einer Stunde «gelöscht» ist; die Übung ist ganz aufs Kader zugeschnitten. Die Schwierigkeit bestehe darin, in einer chaotischen Situation, wie es ein Flugunfall wäre, schnell Strukturen zu schaffen und die eigentliche Hilfs­arbeit aufzunehmen.

«Bei einer Stabsrahmenübung geht es darum, dass die Führungskräfte ihre Zusammenarbeit üben.»
Thomas Hauert, Abteilungsleiter-Stv. bei Schutz & Rettung

In Krisen Köpfe kennen

Diese umfassen viel mehr als das Löschen von brennendem Kerosin. Thomas Hauert gibt ein Beispiel: «Neben der Berufsfeuerwehr des Flughafens wird auch die Ortsfeuerwehr der betroffenen Gemeinde aufgeboten sowie einer oder mehrere der Stützpunkte in Opfikon, Wallisellen, Kloten und Bülach.» Jedes Jahr werden deshalb zwei dieser Stützpunkte ebenfalls zum Üben aufgeboten. Dieses Jahr waren Opfikon und Wallisellen an der Reihe, die mit acht bis zehn Offizieren zugegen waren und die auch ihre sogenannte Führungsunterstützung dabeihatten: Leute, die Listen, Journale und Karten nachführen. Die Kommandofahrzeuge der verschiedenen Organisationen werden dabei meist in Hufeisenform aufgestellt; so kann die Feuerwehroffizierin beim Einsatzleiter Sanität direkt nachfragen.

Ein wesentlicher Aspekt solcher Organisationen übergreifender Übungen heisst: «In Krisen Köpfe und deren Kompetenzen kennen»: «Bei einem Gross­ereignis dieser Art sollten die Führungspersonen miteinander vertraut sein», erklärt Thomas Hauert.

Einschliesslich einer Handvoll Besucherinnen und Besucher waren vergangene Woche 95 Personen dabei. Rund 50 Personen aus folgenden Organisationen wurden dabei «beübt»: die bereits erwähnte Berufsfeuerwehr des Flughafens, die Stützpunktfeuerwehren Opfikon und Wallisellen sowie die Ortsfeuerwehr Altbach (zuständig für Brütten und Nürensdorf), die Sanität von Schutz & Rettung Zürich (SRZ), die Kantonspolizei (die auch den Gesamteinsatzleiter stellt), die Betreiber des Umspannwerks sowie die Airport Authority, welche für den Betrieb am Flughafen zuständig ist. Sie hätte im Notfall als einzige Zugriff auf Passagier- und Ladelisten der Flugzeuge und wüsste über Gefahrenquellen im Frachtraum ­Bescheid.

100 Stunden Vorbereitungszeit

Die Übung wurde in rund 100 Arbeitsstunden während vier Monaten vorbe­reitet, und zwar von der SRZ-Abteilung «Einsatz und Konzeption», deren stellvertretender Leiter Oberleutnant Thomas Hauert ist. In diesem Rahmen trainiert wird bereits seit etwa 20 Jahren, wie es verschiedene kantonale Gesetze, aber auch Vorschriften für die Flughäfen vorschreiben. Eingeflossen sind ebenfalls Erkenntnisse des Ausbildungschefs und des Leiters der Berufsfeuerwehr Flughafen.

Die Stützpunktfeuerwehr Wallisellen war für den Abschnitt Umspannwerk ­zuständig – für die neun Offiziere und die fünf Führungsunterstützer eine nicht ­alltägliche Situation, weil Strom möglicherweise eine weitere Gefahrenquelle darstellt. «Deshalb mussten wir zuerst das Gebiet absperren», so Kommandant Michael Huwel. «Wir mussten die eigene ­Sicherheit sicherstellen – und ebenso ­diejenige von eventuell herumirrenden Passagieren.» Dazu haben die Offiziere Gefahrenzonen ausgeschieden. Parallel dazu wurden Vorbereitungen getroffen, um nach dem Abschalten des Stroms durch externe Fachleute sofort mit dem Löschen und Retten beginnen zu können. «Diese Spezialisten würden falls nötig durch die Einsatzleitzentrale aufgeboten», erläutert Kommandant Huwel. Er ist mit dem Einsatz zufrieden: «Wir konnten die Führungsstrukturen üben und das ganze Prozedere durchspielen, haben dem Bereichsleiter in unseren Rapporten ein Gesamtbild der Lage vermitteln können. Ich denke, wir haben das gut umgesetzt.»

Die zehn Opfiker Feuerwehrleute (sechs Offiziere und vier Führungsunterstützer) waren für die halb eingestürzte Waldhütte und brennende Triebwerke im Wald zuständig. «Dazu haben wir vier Verantwortungsbereiche gebildet», erläutert Feuerwehrkommandant Jochi Hegi das Vorgehen. «Drei übernahmen wir, den vierten die Feuerwehr Altbach.» Dadurch habe die Zusammenarbeit, die ja im Vordergrund steht, gut erprobt werden können. Leichtes Verbesserungs­potenzial machte man bei der Führungsunterstützung aus. Allerdings bestehen dort Ideen, dies zu zentralisieren, sodass die Ausbildung auf Stufe Opfikon derzeit nicht mehr ganz so stark vorangetrieben wurde.

Mit dem Ergebnis und der Leistung der Teilnehmenden ist auch Thomas Hauert sehr zufrieden: «Natürlich kann man überall etwas mitnehmen. Aber grobe Schnitzer waren keine zu verzeichnen.»

Im Innern der Kommando­fahrzeuge stehen neben Papier und Filzstift auch Computer und Satelliten­verbindung zur Verfügung. Bild: SRZ
Roger Suter/Zürich24