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Kanton Zürich
16.05.2025

«Ich bin kein linker Weltverbesserer aber «eifach luschtig»

«Hausi Leutenegger funktioniert immer und ich spiele ihn auch sehr gerne.» Komiker Peter Pfändler begeistert mit scharfem Witz auf der Bühne.
«Hausi Leutenegger funktioniert immer und ich spiele ihn auch sehr gerne.» Komiker Peter Pfändler begeistert mit scharfem Witz auf der Bühne. Bild: Peter Pfändler
Lachalarm in Pfäffikon. Der preisgekrönte Komiker Peter Pfändler (64) tritt auf die Chesselhuus-Bühne. Im Interview beweist er, dass seine Pointen viel mit dem wahren Leben zu tun haben.

Peter Pfändler, Hand aufs Herz. Chesselhuus Pfäffikon. Was verschlägt einen echten Stadtzürcher ins Oberland?

Das ist ein wunderbarer Ort. Ich spiel das vierte Mal dort. Das Chesselhuus ist eine der lässigsten Locations.

Und was erwartet Sie dort?

Das gleiche, wie in den meisten anderen Orten auch: Ein Publikum, das sich unterhalten lassen will – das den Alltag für zwei Stunden ausblenden möchte. Mein aktuelles Programm «Einfach lustig» hat eine enorm grosse Pointendichte. Als Komiker muss man sich immer anpassen. Die Zeiten, zu denen man einen Sketch spielte, sich umzog und dann wieder eine neue Nummer zeigte, sind schon lange vorbei. Auch die Programme, in denen man zehn Minuten als Hausi Leutenegger performte und dann als Kurt Aeschbacher, entsprechen heute kaum mehr dem Zeitgeist. Dafür mache ich heute in ein paar Nummern mit dem Publikum richtig Party. Diese Art der Comedy ist neu.

«Eigentlich biete ich eine fiktive Fernsehsendung»
Peter Pfändler

Und was ist aktuell?

Wesentlich mehr Standup-Comedy. Ich stehe eigentlich zweimal 45 Minuten auf der Bühne und reihe Gag an Gag. Dank technischen Hilfsmitteln kann ich meine Figuren aber noch immer einfliessen lassen. Eigentlich biete ich eine fiktive Fernsehsendung, bei der alles ständig in die Hosen geht – und ich als Moderator muss immer überbrücken und improvisieren.

Aber Hausi ist schon noch dabei?

Ja, eigentlich schon. Aber es bleibt immer etwas ungewiss, ob er überhaupt in der Show auftritt. Auch Aeschbi ist präsent, mit seinen unverzichtbaren Tipps zum Alter. Es ist nicht nur wichtig, was man hört – sondern auch was man wirklich aussagt.

«Hausi Leutenegger funktioniert immer»
Peter Pfändler

Wer funktioniert von Ihren Figuren am besten?

Hausi Leutenegger funktioniert immer. Als ich in Basel aufgetreten bin, skandierte das Publikum am Schluss: «Hausi, Hausi». Er funktioniert immer – und ich spiele ihn auch sehr gerne. Den neusten Bühnencharakter, den ich spiele, ist ein Holländer und heisst «Komclow» - eine Mischung zwischen Komiker und Clown.

Ist dies eine Parodie auf den unvergesslichen Rudi Carrell?

Nein, eine solche Figur ist mir tatsächlich einmal begegnet – als ich als Steward mit der Swissair geflogen bin. Das war 1986 bei einem Nightstop in Amsterdam, als wir einen komischen Zauberer sahen, ab dem ich mich schier kaputtgelacht habe. Das ist in dem Sinn nichts neues, aber es kommt immer drauf an, wie man ein Stück oder eine Figur verkauft. Dann habe ich eine weitere neue Figur – Juri. Ihn gibt es – aber er heisst anders. Ihn habe ich beim Circus Knie kennengelernt.

Das heisst, Ihre Figuren sind real?

Indirekt schon. Sie heissen im normalen Leben aber anders. Aber die Vorbilder für meine Stücke stammen aus dem echten Leben: Bei Juri ist die Mutter Russin und der Vater Ukrainer. Als ich ihn fragte woher er stammt, sagte er mir: «Während des Krieges waren wir schon viermal Russisch und dreimal Ukrainisch».

Das tönt aber hochpolitisch…

Aber hier geht es um Alltägliches. Juri sucht eine Frau – und sehnt sich nach einer Mamutschka. Und ich als Schweizer gebe ihm Tipps, wie er ans Ziel kommt. Aber er setzt es auf russisch-ukrainisch um – und das kommt nicht gut. Juri versteht mich nicht. Aber grundsätzlich versuche ich politisch neutral zu sein – auch, wenn man merkt wo mein Herz schlägt…

Und wofür schlägt es?

Sagen wir es so: Ich bin neutral offen, aber sicher kein extrem linker Weltverbesserer oder ein Moralist.

Damit widersprechen sie aber dem Mainstream der Schweizer Comedyszene…

… absolut. Deshalb werde ich gemobbt. (lacht) Auch wegen des Alters… Dem sagt man «Ageisme».

«Vermutlich gewöhnt man sich sogar an eine Aargauer Autonummer»
Peter Pfändler

Wie bitte?

Das ist, wenn man aufgrund seines Alters diskriminiert wird. Ich spüre das immer wieder, wenn ich sage, dass meine Frau 22 Jahre jünger ist. Da schauen die Männer komisch – und die Frauen sagen: Typisch alter Mann. Aber daran gewöhnt man sich. Man gewöhnt sich schliesslich an alles – vermutlich sogar an eine Aargauer Autonummer.

Wenn man mit Ihnen spricht, fühlt man sich wie in einer Vorstellung. Muss man als Komiker immer lustig sein?

Nein, auf keinen Fall. Ich kann auch ernsthaft über andere Themen sprechen. Aber derzeit trete ich fast jeden Abend auf. So bin ich voll im Saft und eile von Bühne zu Bühne. Da hört die Vorstellung fast nie auf.

Nervt das Ihre Frau nicht?

Nein – zuhause bin ich der Ruhige (lacht). Dazu kommt mein Problem mit dem Gehör. Ich höre auf dem einen Ohr 30 Prozent – und auf dem anderen 50 Prozent. Das hat in einer Ehe zwar gewisse Vorteile (lacht), aber das kann auch ein schweres Handicap sein. Wenn die Kinder in der Nacht schreien, höre ich es nicht. Dann muss immer meine Frau aufstehen. Das tut mir leid.

Greifen Sie solche Themen auch auf der Bühne auf?

Definitiv. Das Älterwerden ist etwas, das uns alle betrifft. Und ich habe kein Problem, mich über mich selber lustig zu machen. Doch oft erlebe ich, dass viele im Publikum etwas erschrecken – weil sie realisieren, dass sie im gleichen Alter sind.

Wie alt ist Ihr Publikum? Es gehört wohl kaum zur Tiktok-Generation?

Definitiv nicht. Ich würde sagen: Ab 35 aufwärts. Aber kürzlich war ich in Heerbrugg – im legendären Kinotheater Madlen. Da sassen ein paar junge Mädchen in der ersten Reihe, noch nicht 20. Da musste ich unweigerlich fragen: Seid Ihr eingeladen – oder habt Ihr Euch in der Türe geirrt. Aber die blieben bis am Schluss – und waren hellbegeistert. So darf ich sagen: In meinem Programm gibt es Pointen, über die auch Teenager herzhaft lachen können.    

Sie spielen in der Stadt Zürich im legendären «Weissen Wind», aber sie treten auch im Rheintal oder eben im Zürcher Oberland auf. Lachen die Menschen überall über die gleichen Pointen?

Nein. Und es gibt ganz verschiedene Zuschauer – das spürten wir ganz deutlich, als wir mit dem Circus Knie unterwegs waren. Die Rheintaler beispielsweise muss man zuerst knacken. Die erste Halbzeit war tatsächlich etwas ruhiger. Dafür ist es dann nach der Pause so richtig abgegangen. Das hat nur so «Geklöpft». Die Basler wiederum setzen sich ins Häbse-Theater und von Anfang an geht die Post ab. In Zürich weiss ich schon jetzt: Dort nimmt der Zuschauer Platz, verschränkt die Arme – und sagt: «So, sei jetzt bitte lustig; ich habe bezahlt». Pfäffikon dagegen liegt auf der ländlichen Seite – mit einem dankbareren Publikum. Wenn es den Zuschauern gefällt und sie realisieren, dass der Komiker sein Handwerk beherrscht, wird die Stimmung richtig gut.

Das heisst, den Pfäffiker muss man nicht knacken?

Das hängt von so vielen Faktoren ab: An welchem Wochentag spiele ich, wie steht der Mond, ist der Monatslohn bereits eingetroffen. Im Chesselhuus trete ich am 24. Mai auf. Dann haben die einen den Lohn schon erhalten, die anderen warten noch.

«Mein Mascotte schliesst so mir nichts, dir nichts»
Peter Pfändler

Was bedeutet das?

Wer noch auf den Lohn wartet, der ist oft etwas bedrückt oder gedämpft. Es ist momentan nicht mehr alles so einfach wie früher. Beispiel: Mascotte. Mein Mascotte! Jetzt schliesst so mir nichts, dir nichts.

… unser aller Mascotte…

… ich war richtig hässig. Das Lokal war ein Teil meiner Jugend, ein Teil meiner Entwicklung, ein Teil meiner Bildung im Showbusiness – im wahrsten Sinn des Wortes. Ich habe dort so viel gelernt – im Umgang mit Musikern, mit dem Licht, mit dem Ansagen der Show. In all den Jahren und Jahrzehnten ist dort so viel geschehen. Und jetzt schliesst das Lokal für immer. Einfach so. Das wäre, als würden sie meine Jugend entsorgen.

Gehen die Leute nicht mehr raus? Spüren Sie das auch?

Meine Shows sind gut besucht. Aber dies ist auch sehr ortsabhängig. Da gibt es Orte, die sind komplett überbucht, wo die Leute Schlange stehen. An anderen Orten dagegen, wo es früher ebenfalls voll war, bleiben heute Sitze leer. Erklären kann ich das nicht. Was ich aber sagen kann: Die Kurzfristigkeit hat sich gesteigert. Die Leute warten länger – und warten mit der Entscheidung, welche Show sie besuchen. Das bedeutet für uns Künstler auch viele unruhige Nächte.

Wie gut können Sie von der Komik leben?

Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, ich würde in Saus und Braus leben. Aber alle Rechnungen sind bezahlt. Das Steueramt ist zufrieden – ja es hat sogar Freude an mir. Ich kann mit meiner Familie ein anständiges Leben führen – aber ohne die riesigen Sprünge. Ich bin froh, dass ich daneben noch Kurse im Gesichtserkennen gebe oder das eine oder andere Mandat an einer Fachhochschule in Kommunikation oder Krisenkommunikation habe. Es gibt ein Gefühl der Sicherheit, wenn man das noch hat. Es gibt in der Schweiz einige, die können richtig gut von der Comedy leben – beispielsweise Divertimento. Die füllen in Dübendorf eine Halle mit 3000 Leuten siebenmal. Bei einem Eintrittspreis von durchschnittlich 70 Franken gibt das richtig gut Geld.

«Cony und ich hatten eine grossartige Zeit»
Peter Pfändler

Zu Ihnen persönlich. Sie feierten ihre grössten Erfolge an der Seite von Cony Sutter. Vor rund acht Jahren gingen Sie getrennte Wege. Wie denken Sie an jene Zeit zurück?

Cony und ich hatten eine grossartige Zeit. Wir waren extrem erfolgreich, haben die Comedy-Szene geprägt, traten zweimal bei Salto Natale auf, gewannen den Prix Walo. Es ist traurig, dass Cony nicht mehr wollte. Es war seine Entscheidung. Aber heute bin ich dankbar, dass ich den Rank erwischt und mich als eigenständiger Künstler etabliert habe. Dank meinem Manager Edgar Lehmann stiess ich in Sphären vor, mit denen ich nie gerechnet hatte. Doch wenn ich manchmal zurückdenke, frage ich mich: Was wäre gewesen, wenn….

Weshalb wollte Cony nicht mehr?

Er hatte gesundheitliche Probleme – und offenbar Depressionen. Das ist wirklich hart. Einen Beinbruch kann man heilen. Aber bei Depressionen wird es schwierig.

Gibt es die Chance für eine Wiedervereinigung?

Nein. Für mich nicht. Wenn es anders aufgehört hätte, wäre es vielleicht möglich. Aber so muss ich sagen: Nein, ausgeschlossen! Oder anders gesagt: Wenn man unfreiwillig geschieden wird, hat man keine Lust mehr, die Ex-Frau zu sehen.

Wollten Sie auch einmal den Bettel hinschmeissen?

Klar. Als ich plötzlich alleine dastand, wusste ich anfänglich nicht mehr weiter. Ob man zu zweit auftritt oder alleine ist komplett etwas anderes – ungefähr so verschieden, wie ein Mountainbike-Rennen und die Tour de France. Zwar fährst du in beiden Rennen mit dem Velo, aber die Herangehensweise und der Aufbau des Programms sind ganz verschieden. Als Solokünstler hast du niemanden, der dich retten kann.

Sie sind jetzt 30 Jahre auf der Bühne. Spüren sie noch Lampenfieber?

Lampenfieber nicht mehr. Aber die Nervosität brauche ich. Es muss kribbeln. Wenn ich vor einer Vorstellung kein Kribbeln verspüre, kommt es nicht gut. Es ist wie bei einem Fussballer: Es muss kochen.

Sie sind in einem Alter, in dem andere bereits die Rente planen oder schon pensioniert sind….

… auf dem Papier steht, dass ich im kommenden Jahr die AHV erhalte.

«Ich freue mich auf die AHV»
Peter Pfändler

Gibt es ein Pensionsalter für Komiker? 

Nein, ich freue mich auf die AHV. Damit kann ich für meine Familie dann die Krankenkasse bezahlen - nicht aber, weil ich so wenig AHV bekomme, sondern weil die Krankenkassenprämien so teuer sind. Ich wünsche mir sehr, dass ich noch zehn Jahre auf der Bühne stehen kann. Im Moment spüre ich eine Dynamik, eine Kraft und eine Power, die mich drauf hoffen lässt. Ich habe nicht einen Puls von 200, wenn ich von der Bühne komme.

Aber letztlich bestimmen der Markt und das Publikum…

… absolut. Ich weiss nicht, wie lange noch die Nachfrage für alte Säcke besteht. Ich freue mich einfach, wenn ich die Menschen noch zum Lachen bringe. Und im Moment funktioniert das noch richtig gut, in jeder Show gibt es Standing Ovations.

Wo sehen wir uns in zehn Jahren?

Das können wir gerne abmachen. Am 16. Mai 2035 im Restaurant Sonnental. Ich übernehme den Kaffee. Der kostet dann wohl 16 Franken.

Thomas Renggli