Heute ist ein Einschnitt im Schweizer Medienmarkt. 20 Minuten erscheint letztmals gedruckt. Was bleibt, ist mehr als nur das Ende einer Pendlerzeitung – es ist das Ende einer Epoche.
Als 20 Minuten Ende der 1990er-Jahre lanciert wurde, stellte das Blatt den Zeitungsmarkt auf den Kopf. Kostenlos, kompakt, schnell konsumierbar, klar auf den Alltag der Pendlerinnen und Pendler zugeschnitten. Während traditionelle Medien noch über Reichweite, Abos und Leserbindung diskutierten, lag 20 Minuten bereits morgens in Zügen, Trams und Bahnhöfen. Die Zeitung wurde zur täglichen Routine – gelesen zwischen Perron und Büro, zwischen zwei Haltestellen, zwischen zwei Terminen.
Der Erfolg war enorm. 20 Minuten wurde zur auflagenstärksten Zeitung der Schweiz und prägte eine ganze Generation von Leserinnen und Lesern. Der Medienmarkt musste sich anpassen: Kürzere Texte, knackige Titel, klare Visualisierung, Fokus auf Aktualität und Nutzwert. Kaum ein Medium blieb von diesem Einfluss unberührt. Als junger Meteo-Unternehmer konnte ich die Anfänge von 20 Minuten hautnah miterleben. Wir durften mit den ersten Machern den Wetterbericht auf der letzten Seite entwickeln und über Jahre hinweg den Lesern in knackigen und kurzen Berichten der Schweiz vermitteln - eben auch "20 Minuten-Like": Kurz, bündig - und dem Pendler-Leserbedürfnis entsprechend.
Doch der Erfolg hatte auch Nebenwirkungen. Der Gratiszeitungsboom setzte klassische Zeitungen unter Druck, Werbegelder verschoben sich, Redaktionen wurden kleiner, Geschäftsmodelle fragiler. 20 Minuten war nie allein verantwortlich – aber es war ein Beschleuniger eines Strukturwandels, der bis heute anhält.
Dass die Marke nun ausschliesslich digital weiterlebt, ist eigentlich nur logisch. Das Nutzungsverhalten hat sich verändert, Print verliert Reichweite, Distribution wird teuer, Aufmerksamkeit wandert aufs Smartphone. Der Schritt ist wirtschaftlich nachvollziehbar – emotional bleibt er dennoch bedeutend.
Denn mit dem gedruckten 20 Minuten verschwindet auch ein Stück öffentlicher Raum - Medienvielfalt und -Geschichte. Die Zeitung, die man weiterreichte, liegen liess, nochmals aufhob. Die Schlagzeilen, die Gespräche auslösten. Der gemeinsame Informationsmoment im Zugabteil oder im Tram.
20 Minuten hat den Schweizer Medienmarkt durcheinandergewirbelt, modernisiert und polarisiert. Es war geliebt, kritisiert, kopiert (aber nie erreicht) – und vor allem gelesen. Dass diese Erfolgsgeschichte nun im Digitalen weitergeschrieben wird, ist kein Scheitern des Prints, sondern ein Spiegel der Zeit.
Der letzte Drucktag ist deshalb kein Abgesang, sondern ein Übergang.
Die Zeitung verschwindet aus der Hand – aber nicht aus dem Kopf.