Die Festtage kommen – und mit ihnen viele Fragen rund um den richtigen Wein. Was, wenn der Zapfen abbricht? Welcher Wein passt zu Ente? Und wie wählt man eine Flasche aus, wenn man den Geschmack der Gäste nicht kennt? Die gute Nachricht: Mit dem richtigen Wissen wird aus Wein-Stress echter Trinkgenuss. Weinakademikerin Yvonne Fertig von „Bar’oc – Fertigs Weine“ in Bülach teilt ihre besten Tipps für entspannte, genussvolle Festtage.
Was tun mit angebrochenem Wein
Offene Flaschen sind kein Problem – solange man schnell reagiert. „Sobald der Wein geöffnet ist, sollte er wieder gut verschlossen und kühl gelagert werden“, erklärt Fertig. Auch Rotweine gehören in den Kühlschrank, zumindest über Nacht. Am nächsten Tag lässt man sie einfach eine gute Stunde bei Zimmertemperatur stehen. Eine Vakuumpumpe kann zusätzlich helfen, den Sauerstoff fernzuhalten – denn der lässt Wein schnell oxidieren und kippen. Weisswein, so Fertig, sollte ebenfalls nicht zu warm serviert werden. „Ein lauwarmer Sauvignon ist kein Vergnügen.“
Dekantieren bringt mehr als Showeffekt
Das Dekantieren ist für viele ein Mysterium – dabei bringt es gleich zwei Vorteile: Einerseits werden ältere Weine vom Depot getrennt, das sich am Flaschenboden absetzt. Andererseits kann frischer Sauerstoff junge Weine regelrecht wachküssen. „Vor allem bei kräftigen, gereiften Rotweinen lohnt es sich, sie 20 bis 40 Minuten vorher in eine Karaffe umzufüllen“, sagt Fertig. Und ein kleiner Extra-Tipp: Wenn die Karaffe vorher mit warmem Wasser ausgespült wird, reagiert der Wein noch harmonischer.
Wenn der Zapfen abbricht
Ein Klassiker unter den Missgeschicken: Der Korken bricht beim Öffnen ab. „Das Wichtigste ist: ruhig bleiben“, sagt Fertig. „Mit etwas Gefühl bekommt man den Rest oft mit dem Korkenzieher raus.“ Falls Korkstücke im Wein schwimmen, hilft ein feines Sieb oder ein sauberes Tuch beim Einschenken. Der Wein ist dadurch nicht verdorben – er sieht nur etwas weniger elegant aus.
Den richtigen Wein finden, ohne die Gäste zu kennen
Besonders herausfordernd wird es, wenn man Wein für Gäste auswählen soll, deren Geschmack man nicht kennt. „Dann rate ich zu einem fruchtigen, nicht zu säurebetonten Weisswein und einem samtigen Rotwein mit wenig Tannin“, so Fertig. Diese Kombination trifft meist viele Vorlieben. Wer mutig ist, kann auch einen Rosé servieren – gerade in geselliger Runde ist er ein echter Stimmungsmacher. Fertig empfiehlt ausserdem, einfach kurz nachzufragen: „Magst du es lieber fruchtig oder trocken?“ Diese einfache Frage hilft mehr als stundenlanges Grübeln vor dem Regal.
Welcher Wein passt zum Festessen
Auch beim Essen zählt weniger die Sorte als die Intensität. „Fisch und Geflügel harmonieren mit frischen, leichten Weissweinen“, erklärt Fertig. „Zu Wild, Braten oder dunklen Saucen passt ein kraftvoller Rotwein.“ Doch nicht nur das Gericht, auch die Zubereitung entscheidet. Eine süssliche Glasur oder eine säurebetonte Beilage kann den Charakter des Weins völlig verändern. Hier lohnt es sich, mit Kontrasten zu spielen: etwas Süsses zum Salzigen, etwas Frisches zum Fettigen – das erzeugt Spannung auf dem Gaumen.
Die richtige Temperatur ist entscheidend
Ein oft unterschätzter Faktor ist die Serviertemperatur. Viele Weine schmecken flach oder stumpf, wenn sie zu warm oder zu kalt sind. „Weissweine gehören bei 7 bis 10 Grad ins Glas“, sagt Fertig. „Rotweine lieber leicht gekühlt servieren – alles über 20 Grad ist zu viel.“ Wer keine Weinklimaschublade besitzt, kann einfach 10 Minuten im Kühlschrank oder eine Stunde im Keller einplanen – das reicht oft schon.
Wenn der Wein nicht spricht
Und wenn ein Wein „schläft“, also wenig Geschmack zeigt? Dann hilft Zeit. Ein paar Minuten in der Karaffe oder ein bisschen Luft im Glas lassen die Aromen oft explodieren. „Manchmal braucht ein Wein einfach Geduld“, sagt Fertig. „Dann erzählt er dir auf einmal seine ganze Geschichte.“
Der wichtigste Rat zum Schluss
Für Fertig ist Wein vor allem eines: ein Erlebnis. „Wenn du mit Freude einschenkst, geniessen auch deine Gäste mehr“, sagt sie. Deshalb rät sie zum mutigen Kombinieren, zum Probieren, zum Reden über Wein – aber nie zum Verkrampfen. „Vertrau deinem Geschmack. Wein ist kein Wissenstest. Sondern der schönste Begleiter für besondere Momente.“