Home Region Sport Schweiz/Ausland Magazin Agenda
Kommentar
Region
24.12.2025
24.12.2025 11:11 Uhr

Entscheid Regierungsrat betreffend Umfahrung Eglisau - gar kein Weihnachtsgeschenk für die Eglisauer Bevölkerung

Rolf Hartl, Präsident Verein Umfahrung Eglisau (r), Peter Wick, Verleger ZU24.ch und Bewohner von Eglisau (l)
Rolf Hartl, Präsident Verein Umfahrung Eglisau (r), Peter Wick, Verleger ZU24.ch und Bewohner von Eglisau (l) Bild: pw
Was wiegt mehr: Umweltschutz, 580 Millionen Franken oder die leidende Eglisauer Bevölkerung?

Umfahrung Eglisau - kurze Auslegeordnung

Der Regierungsrat des Kantons Zürich will die Umfahrung Eglisau einen Schritt weiterbringen und beantragt dem Kantonsrat eine Änderung des Richtplaneintrags. Grund: Die heute geplante Linienführung entspricht nicht mehr jener Strecke, die aktuell im kantonalen Richtplan eingetragen ist. Erst wenn der Richtplan angepasst und festgesetzt ist, soll als nächster Schritt ein Objektkredit von rund 580 Millionen Franken in den Kantonsrat kommen.

Der Regierungsrat setzt dabei bewusst auf ein zweistufiges Vorgehen (zuerst Richtplan, dann Kredit), damit der Kantonsrat früh einen politischen Grundsatzentscheid fällen kann. Baubeginn wäre gemäss aktueller Planung frühestens 2037, die Bauzeit würde rund sechs Jahre dauern. 

Die Reaktionen folgten auf dem Fuss: Die Grünen sehen das Projekt als Totgeburt, die SP moniert den hohen Betrag, wo sonst überall gespart werden müsse. Die rechte politische Seite befürwortet die Umfahrung mit dem Argument der Belastung der Eglisauer Bevölkerung und dem wichtigen Wirtscharaum Zürich-Nord - Unterland - Rafzerfeld.  

Kommentar von Peter Wick, Co-Verleger ZU24.ch und Einwohner von Eglisau:

Der Regierungsrat hat entschieden, nun ist der Kantonsrat am Zug. In der Causa Umfahrung Eglisau muss er sowohl über einen angepassten Richtplan als auch über den Objektkredit von 580 Millionen Franken befinden. Damit steht ein Projekt zur Diskussion, das Eglisau und das Rafzerfeld seit über 50 Jahren beschäftigt und für die betroffene Bevölkerung längst zu einer existenziellen Frage geworden ist.

Die Umfahrung Eglisau muss zwei anspruchsvolle Hürden im Kantonsrat nehmen und danach mit hoher Wahrscheinlichkeit eine in der heutigen Zeit äusserst schwierige Volksabstimmung im Kanton Zürich bestehen. Ein Kredit für Strasseninfrastruktur in der Höhe von 580 Millionen Franken ist selbst in einem bürgerlich geprägten Kantonsrat alles andere als sicher. Wird auch nur eine der beiden Vorlagen abgelehnt, ist die Umfahrung Eglisau politisch erledigt.

Für Eglisau und seine Bevölkerung wäre dies ein Nackenschlag sondergleichen. Aber auch für das Rafzerfeld, das Zürcher Unterland und die Flughafenregion käme eine Ablehnung einer Teilkastration der wirtschaftlichen Entwicklung und der regionalen Prosperität gleich.

Das vorliegende Projekt wurde unter Berücksichtigung von Umwelt- und Landschaftsschutz sorgfältig geplant und mit möglichst geringen Eingriffen in die Natur ausgestaltet. Bei allem berechtigten Verständnis für den Naturschutz stellt sich dennoch eine zentrale Frage: Muss es nicht möglich sein, neben Würmern, Fröschen, Käfer, Heugümper und Bäumen auch die Bewohnerinnen und Bewohner sowie insbesondere Kinder vor Lärm, Abgasen und Verkehrsgefahren zu schützen? Welches Wohl ist hier höher zu gewichten?

Die Aussage der SP, der Verkehr werde mit der Umfahrung nicht auf die Schiene verlagert, wirkt wie ein Vorwand, um sich für Sparbeschlüsse des Kantonsrates zu revanchieren – auf dem Rücken der leidenden Bevölkerung von Eglisau. Es kann nicht sein, dass ein Städtchen dauerhaft mehr Verkehr ertragen muss, als sich durch den Gotthard drängt.

Auch der wirtschaftliche Aufschwung, den das Rafzerfeld derzeit erlebt, würde mit einer Ablehnung der Umfahrung massiv ausgebremst. Es ist schlicht unrealistisch, den gesamten Verkehr auf die Schiene zu verlagern – selbst wenn linke und grüne Parteien dies mit ihrer Ablehnung der Umfahrung Eglisau erreichen oder gar erzwingen möchten.

Ja, auch ich halte den Projektkredit von 580 Millionen Franken für einen enormen Betrag. Genau dieser Betrag wird in einer allfälligen Volksabstimmung im Kanton Zürich zu einer extrem hohen Hürde für eine Zustimmung werden. Gemeinden auf dem Hirzel warten seit Jahren auf einen Tunnel, das Zürcher Oberland auf eine Umfahrung von Wetzikon – passiert ist wenig. Woher soll also das Verständnis von Gemeinden wie Sternenberg, Richterswil oder Maschwanden kommen, wie es Rolf Hartl, Präsident des Vereins Umfahrung Eglisau, formuliert hat, für ein 580-Millionen-Projekt weit ausserhalb ihrer eigenen Lebensrealität?

So sehr man es der wunderschönen Unterländer Gemeinde Eglisau, dem Rafzerfeld und dem gesamten Unterland wünschen würde: Die (Weihnachts-)Sterne stehen derzeit schlecht für eine Umfahrung. Nicht, weil sie verkehrlich oder volkswirtschaftlich keinen Sinn machen würde - ganz im Gegenteil -, sondern weil der Naturschutz im Vorliegenden Fall über das Wohl der Bevölkerung gestellt wird und politische Fehden auf den Schultern jener ausgetragen werden, die tagtäglich am stärksten unter der heutigen Situation leiden.

Das sagt Rolf Hartl, Präsident des Vereins Umfahrung Eglisau, VUE: "Viel zu lang um den heissen Brei geredet"

ZU24: Der Regierungsrat spricht von einem zweistufigen Verfahren und einem frühestmöglichen Baustart ab 2037. Durch das Verfahren wird der mögliche Baustart und die Erstellung der Umfahrung weiter verzögert - wie stellen Sie sich als Präsident des breit abgestützten Vereins Umfahrung Eglisau dazu?

Rolf Hartl: Das Glas ist halbvoll. Wir haben uns für eine andere Lösung eingesetzt, nämlich  Richtplanänderung und Kreditantrag in einem Zug. Der Regierungsrat will mit diesem vorsichtigen Vorgehen offenbar die politische Akzeptanz besser absichern. Das müssen wir so hinnehmen.

ZU24: Der Kostenrahmen von 580 Millionen Franken wird als transparent bezeichnet. Kann die weiter verteuerte Variante - auch wenn realistisch berechnet - zu einer Ablehnung des Projektes führen? 

Rolf Hartl: Der Betrag ist in der Tat hoch und wird zu reden geben. Am Schluss ist es immer eine Frage der politischen  Prioritäten. Falls es einmal zu einer Volksabstimmung kommt, wovon ich ausgehe, wird man den Einwohnern zwischen Sternenberg, Richterswil und Maschwanden, also dem ganzen Kanton,  klar machen müssen, dass die Umfahrung Eglisau auch in ihrem Interesse liegt. Das ist eine anspruchsvolle, aber machbare Aufgabe.

ZU24: Der Kanton betont die sorgfältige Interessenabwägung. Sehen Sie darin nicht vor allem Verzögerung. Wie kann sichergestellt werden, dass die Planung nicht weiter verschleppt wird?

Rolf Hartl: Nein. Eglisau selber und die Rheinlandschaft sind gleich mehrfach durch Bundesinventare geschützt. Das gibt den ökologischen Interessen einen hohen Stellenwert. Wenn man was plant, was später vor dem Volk oder den Gerichten nicht Bestand hat, ist niemandem gedient.

ZU24: Der Kanton spricht von einem verantwortungsvollen Vorgehen. Wie rechtfertigt er gegenüber der Bevölkerung von Eglisau, dass sie noch fast zwei Jahrzehnte mit Stau, Lärm und Abgasen leben soll?

Rolf Hartl: Eine Rechtfertigung gibt es in diesem Sinne nicht, wohl aber die Erklärung, dass der Bau der Umfahrung eine  politisch, rechtlich und technisch anspruchsvolle «Nummer» ist. Aber es stimmt: Wir haben seit der 1985 verloren gegangenen Volksabstimmung viel zu lange um den heissen Brei geredet. Mit der bevorstehenden Diskussion im Kantonsrat kommt nun Zug in die Sache – immerhin.

Projekt in Zahlen: Brücke, Tunnel, Verkehr

  • Länge: rund 4,4 Kilometer, grossteils in zwei Tunnels.

  • Rheinquerung: sichtbares Kernelement ist eine neue Rheinbrücke (Entwurf Calatrava), rund 470 Meter lang.

  • Kosten: neu 580 Mio. Franken (früher in einer Machbarkeitsstudie grob tiefer geschätzt). Als Gründe nennt der Kanton u.a. Teuerung/MwSt, zusätzliche Positionen (z.B. Landerwerb, ökologische Ausgleichsmassnahmen, flankierende Massnahmen) sowie aufwendigere Bauanforderungen (u.a. Tunnelquerschnitte, Sicherheitsstollen, Kunstbauten).

  • Verkehrsdruck: heute queren gemäss Kanton auf Werktage im Schnitt rund 24’000 Fahrzeuge die Rheinbrücke, Prognose Richtung 2040: über 30’000.

pw
Demnächst