Eglisauer Stimmberechtigte wollen einen Marschhalt.
Die Mehrzweckhalle Steinboden in Eglisau war am Donnerstagabend rappelvoll. Gemeindepräsident Roland Ruckstuhl freute sich über den Legislatur-Rekord von 234 Stimmberechtigten, die sich für die Anliegen der Gemeinde interessieren und engagieren.
Der grosse Aufmarsch war offensichtlich dem zweiten Traktandum geschuldet: Aufhebung des Verpflichtungskredits für die Miete und den Betrieb der Pflegewohngruppe “Kleeblatt”. Dieser Punkt war während Wochen Gesprächsthema Nummer 1 im Städtli am Rhein. Es geht um Geld. Aber auch um Macht und politische Abrechnungen. Dementsprechend emotional und teils "gehässig" waren die Wortmeldungen aus der Bevölkerung und von Involvierten. Es gab Angriffe und Gegenangriffe, feine Seitenhiebe und offene Attacken. Nach einem emotionalen Rencontre mit Gemeindepräsident Roland Ruckstuhl, verliess Spitex am Rhein Vorstandsmitglied Helen Hangartner sogar wutentbrannt die Mehrzweckhalle.
Um was geht es: Am 15. Mai 2022 haben die Eglisauer Stimmberechtigten an einer Urnenabstimmung dem Projekt und Kredit für die Miete und den Betrieb der Pflegewohngruppe «Kleeblatt» zugestimmt. Unter neuer politischer Führung wurde das Projekt einer externen Prüfung unterzogen. Diese kam zum Schluss, dass der dezentrale Betrieb der Pflegewohngruppe Kleeblatt vielschichtige Herausforderungen mit sich bringt und ein erhebliches betriebliches Risiko für das gemeindeeigne Alterszentrum Weierbach (AZW) darstellt.
Aus diesem Grund beantragten die BAPF und der Gemeinderat der Gemeindeversammlung am Donnerstag, den Verpflichtungskredit der Urnenabstimmung vom 15. Mai 2022 aufzuheben und damit den Weg für die Übernahme des Mietvertrages durch einen Drittanbieter frei zu machen. Die von der Gemeinde bevorzugte Drittanbieterin ist die Oase am Rhein AG. Mit dieser Lösung wäre - gemäss zuständiger Gemeinderätin Regula Peter - das "Problem" für die Gemeinde vom Tisch. - Ebenfalls mit einem Angebot auf den Gemeinderat zugegangen ist die Spitex am Rhein. Weil beim Vorschlag der Spitex ein grosser Teil des unternehmerischen Risikos bei der Gemeinde Eglisau bliebe, sieht der Gemeinderat die Spitex im Fall Kleeblatt nicht als geeignete Partnerin.
IPK gegen Gemeinderat und RPK
Die Rechnungsprüfungskommission (RPK) hat die Vorlage in Bezug auf die finanzpolitischen Aspekte geprüft und empfahl der Gemeindeversammlung den Antrag zur Aufhebung des Verpflichtungskredits anzunehmen. Anderer Meinung waren Teile der Interparteilichen Konferenz (IPK). Sie wollen einen Marschhalt. Zu viele Fakten seien unklar. Es bringe nichts, jetzt panisch zu entscheiden. Es brauche eine seriöse Auslegeordnung, sagte der Präsident von der IPK, Klaus Vogel (GLP). Deshalb stellte er den Antrag, jemand von der Spitex am Rhein solle sich zur Sache ebenfalls äussern dürfen. Die Gemeindeversammlung nahm diesen Antrag an. Der ehemalige Gemeindepräsident und heutige Spitex am Rhein Vorstand Peter Bär, erklärte die Sicht und das Angebot der Spitex und griff Gemeinderätin Regula Peter frontal an. Von unterschlagenen Informationen war die Rede. Auch die Zahlen der externen Experten zweifelte Peter Bär an. David Baer, Geschäftsführer der vitalba gruppe, die im Auftrag der Gemeinde eine Bedarfsanalyse gemacht hatte, begründete sachlich, wo und warum er Differenzen vermutet und verteidigte seinen Bericht.
Nach verschiedenen Wortmeldungen aus der Bevölkerung und einem kurzen Antrags-Chaos, stellte IPK-Präsident Klaus Vogel im Namen von Mitte Unterland, GLP, SP und fokuseglisau den Antrag, die Abstimmung auf die nächste Gemeindeversammlung zu verschieben, einen Marschhalt einzulegen um alle Varianten seriös zu prüfen und den Stimmberechtigten die Möglichkeit zu geben, sich vollständig informieren zu können.
Die Gemeindeversammlung nahm den Antrag mit 128 zu 87 Stimmen an und fügte dem Gemeinderat damit eine Niederlage zu. Ein sichtlich emotionaler Gemeindepräsident Ruckstuhl versuchte den Entscheid des Souveräns möglichst tapfer zu akzeptieren. Dass ihm dies schwer fiel, zeigte sich daran, dass er seine Ausführungen immer wieder mit harmlosen Drohungen spickte.
Der Gemeinderat muss nun beraten und entscheiden, wie er den auferzwungenen Marschhalt für die Prüfung der Varianten und der Information der Bevölkerung nutzen will. Die nächste Gemeindeversammlung ist am 12. Juni.
Mit 162 Ja-Stimmen: Die Gemeindeversammlung empfiehlt den Neubau einer Unterkunft für Geflüchtete am 9. Juni an der Urne anzunehmen. 38 Stimmberechtigte waren dagegen.
Beim ersten Punkt der Gemeindeversammlung ging es um die Bewilligung eines Baukredits in der Höhe von CHF 5'350'000.- für den Neubau einer Unterkunft für Geflüchtete. Dieses Geschäft wurde vorberatend behandelt und kommt am 9. Juni an die Urne. Auch Eglisau muss gemäss Bund per 1. Juli mehr Flüchtlinge aufnehmen. Diese müssen irgendwo untergebracht werden.
Der zuständige Gemeinderat Thomas Laufer informierte über die vertieft geprüften Varianten und kommt zusammen mit dem Gemeinderat zum Schluss, dass die Variante "Elementbau" bezüglich Kosten und Nachhaltigkeit die beste Lösung für die Gemeinde Eglisau sei. Als Standort wird die Region Sandgrueb bevorzugt.
Aus der Stimmbevölkerung wird unter anderem der hohe Preis für die Variante "Elementbau" kritisiert. Es habe kein Wettbewerb stattgefunden. Gemeinderat Thomas Laufer bezieht sich auf den beratenden Architekten und ist überzeugt, dass der Preis der aktuellen Marktsituation entspricht.
Die Präsidentin der Rechnungsprüfungskommission RPK, Patrizia Stangl, hat ein gewisses Verständnis für die Preis-Diskussion. Zusammen mit der RPK wünscht sie sich vom Gemeinderat einen noch detaillierteren Kostenvoranschlag für das Projekt.
Die Gemeindeversammlung empfiehlt der Eglisauer Stimmbevölkerung am 9. Juni ein Ja zum Neubau einer Unterkunft für Geflüchtete.
Das Dossier mit allen Informationen und Kosten zu diesem Traktandum finden Interessierte hier.