Home Region Sport Schweiz/Ausland Magazin Agenda
Region Bülach
15.04.2024

«Waffen retten keine Leben!»

Bild: Stadt Bülach
SVP Kantonsrätin und Bülacher Gemeinderätin Romaine Rogenmoser löst mit Waffen-Kolumne Kontroverse aus.

Normalerweise herrscht wohltuende Stille in der Kommentarspalte des Stadtblattes Bülach. Das hat SVP Kantonsrätin Romaine Rogenmoser mit einer Kolumne nun vorübergehend geändert. Ihr Text hat über das Wochenende zu einer verbalen Schlacht der Argumente unter Unterländer Meinungsmacher geführt. Für alle, die die Sonnentage nicht mit der Lektüre lokaler Medien verbracht haben, fasst zu24.ch das dialogische Tiefdruckgebiet am heutigen, regnerischen Montag als launige Retrospektive gerne zusammen: 

Romaine Rogenmoser, Kantonsrätin SVP, ereifert sich über eine Aussage von Nato Generalsekretär Jens Stoltenberg („Die Waffenlieferungen aus Deutschland retten Leben“), Sven Patrick Stecher, Präsident der Mitte Unterland und des Bezirkes Bülach attackiert Rogenmoser, worauf Frédéric Clerc - Alt-Gemeinderat der FDP - Stecher „in die Wade beisst“. Stecher sticht zurück. Das Perpetuum Mobile ist angestossen. 

Aber der Reihe nach

Romaine Rogenmoser äussert sich, losgelöst jeglicher Einbettung, über die Ethik der Waffe und des Tötens. Soweit verzeihbar. In der Folge findet Rogenmoser es „..verstörend, dass sich in der Wohlfühl-Schweiz offensichtlich jeder als kleiner Kriegsstratege versteht und - im Sofa räkelnd, zwischen Chips und Bier - anmasst, sich über Ereignisse auszulassen, von denen er nicht auch nur annähernd eine realistische Einschätzung haben kann.“ Offensichtlich räumten darauf einige dieser Couch-Strategen Chips und Bier zur Seite und nahmen Rogenmoser aufs Korn. Da bringt es am Schluss Jakob Roost, Dr. Jur. aus Bülach, auf den Punkt: „Die Kolumne von Frau Rogenmoser passt völlig zu dieser widersprüchlichen Haltung ihrer Partei. Ihre Aussagen würde man allerdings eher von einer Unterstützerin der GSoA erwarten und nicht von einer sich als staatstragend fühlenden Parteigängerin“.

Und was war mit dem Geplänkel zwischen FDP und Mitte? Frédéric Clerc kritisierte Sven Patrick Stecher wegen dessen Pointe: „...so retten böse Waffen gute Leben und töten böse Russen, die somit zu guten Russen werden“ und überhöhte dies mit der Unterstellung: „Jeder tote Russe ist ein guter Russe?“ Dann beschwichtigte Clerc weiter, dass es auch kein legitimes Recht gäbe, die Souveränität eines Landes zu missachten. Wieso folgt dieser Aussage dann ein „aber“?: „Aber wenn man die Entwicklung von Europa in den letzten Jahren boebachtet, kann ich mit vorstellen, dass diese Entwicklung aus russischer Sicht als Bedrohung wahrnehmen kann (trotzdem keine Rechtfertigung für den Einmarsch in die Ukraine)…“ Also doch eine Rechtfertigung für die Motive des Einmarsches? In Sven Patrick Stechers Replik trifft Klarheit auf eine gewisse Orientierungslosigkeit in den Grössenordnungen der Diskussion.

Fortsetzung folgt. Ganz sicher. 

Kolumne vom 11.4.2024 von Romaine Rogenmoser (SVP) auf der Stadtblatt-App

Waffen retten leben! Echt jetzt?

Die Aussage: „Die Waffenlieferungen aus Deutschland retten Leben“. Stammt von Jens Stoltenberg, seines Zeichens Nato Generalsekretär und datiert vom November 2022. Sie wurde seither mehrfach wiederholt.

Deshalb wundert es mich umso mehr, dass offensichtlich niemand Anstoss nimmt an diesen für mich unfassbaren Worten. Bin ich die Einzige, die über diesen Satz stolpert bzw. geradezu schockiert ist? Waffen und Leben retten schliessen sich ja geradezu aus. Als ehemalige Angehörige der Armee ist mir die Wirkung von Waffen durchaus bekannt. Und als – zwar erfolglose – aber begeisterte Schützin weiss ich, dass eine Waffe grundsätzlich gefährlich ist. Und im Kriegskontext lassen Waffen gar keine andere Interpretation zu, als dass diese zur Tötung bzw. Vernichtung des Feindes eingesetzt werden. Zum WC-Entstopfen ja wohl kaum. Die Aussage will uns aber glauben machen, dass Waffen, die an die „richtige“ Seite geliefert werden, per se „gut“ sind. Ja sogar Leben retten können.

Nun mögen Waffen ja durchaus eine abschreckende Wirkung haben, aber in letzter Konsequenz wird eine Waffe zur eigenen Verteidigung eingesetzt, was unter Umständen mit dem Tod des Gegners enden kann. Aus meiner Sicht ist es deshalb absolut unzulässig, Waffen im selben Satz mit „Menschenleben retten“ zu nennen. Dies würde implizieren, dass der Tod der einen Seite als wünschenswert zu betrachten ist.

In was für einer kranken Welt leben wir eigentlich, wo zwischen guten und schlechten Toten unterschieden wird? Dieser Satz ist ja geradezu ein Freipass, um Menschen der „nicht richtigen Seite“ zu töten.

Es ist sowieso auffällig und beelendend, wie das Narrativ der Kriegsberichterstattung suggeriert, dass – zum Beispiel im Ukrainekrieg – die Russen die Bösen sind und jeder tote Russe ein „guter Russe“ ist. Und jeder ukrainische Soldat im Gegenzug ein Märtyrer. Ich bin schockiert, wie ein Mensch überhaupt dazu kommen kann, sogar noch die Toten zu unterscheiden in gute oder schlechte, in gerechtfertigte Tote und eben in Opfer.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Krieg ist per Definitionem eine Gräueltat und durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen. Aber es ist einfach unsäglich, dass ein toter russischer Soldat fast „gefeiert“ wird, weil es endlich wieder einen der „Richtigen“ erwischt hat. Im Übrigen finde ich es verstörend, dass sich in der Wohlfühl-Schweiz offensichtlich jeder als kleiner Kriegsstratege versteht und sich - im Sofa räkelnd, zwischen Chips und Bier - anmasst, sich über Ereignisse auszulassen, von denen er nicht auch nur annähernd eine realistische Einschätzung haben kann.

Ein Krieg produziert nur Verlierer – aber die Opfer in gute und böse einzuteilen, ist ein Armutszeugnis. Jedes Leben ist gleich viel Wert. Dasselbe Szenario wiederholt sich auch beim Nahostkonflikt. Mal ehrlich: wer von uns hat auch nur den leisesten Schimmer, wie die ganze Geschichte abgelaufen ist in Nahost? Wie kommen wir dazu, uns anzumassen, aufgrund von Medienberichten sich auf eine Seite zu schlagen? Bei „Israel-Gaza“ haben wir zwar nicht so klare Verhältnisse, wer nun genau Opfer und wer Täter ist. Aber auch hier masst sich jeder an, Bescheid zu wissen.

Das Einzige, was ich sicher weiss: Waffen retten keine Leben. Hört auf, Euch selber anzulügen, nur um so zur scheinbar gerade angesagten „Community“ dazuzugehören

zu24 News-Scout