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Kommentar
Region Bülach
31.05.2024
04.06.2024 15:59 Uhr

Leidet Eglisauer Gemeinderat an Diskalkulie?

Bild: Marc Jäggi
Oder: Wer rechnen kann sagt am 9. Juni NEIN zu 5‘350‘000.– für den Neubau einer Unterkunft für Geflüchtete sagen.

Nein, es geht hier weder um eine Einwanderungs- und Ausländer-Debatte, noch um eine Trotzreaktion auf die Erhöhung der Asyl-Aufnahmequote durch den Kanton per 1. Juli auf 1.6%. Diese Auseinandersetzung überlassen wir der jeweiligen politischen Couleur. Hier geht es um einen Gemeinderat, der in einem heiklen Dossier ungenau arbeitet, eigenartig rechnet und - einmal mehr - mit ungeschickter Kommunikation selber Raum für Polemik und Unruhe schafft.  

Die Asylsuchenden kommen. Daran führt kein Weg vorbei. Eglisau ist verpflichtet, geflüchtete Personen gemäss Verteilschlüssel aufzunehmen. Dafür braucht es Unterbringungsmöglichkeiten. Die Gemeinde Eglisau hat verschiedene Varianten geprüft und kommt zum Schluss: Heureka! Variante Elementbau ist die Lösung! Bei der Argumentation fügt die Gemeinde verschiedene Vorteile dieser Variante ins Feld. Alle Punkte würden auch auf viele andere Varianten passen, es ist eine Frage der Perspektive und der Agenda der beigezogenen Berater. 

Bald, am 9. Juni, stimmen die Eglisauerinnen und Eglisauer über den Baukredit in der Höhe von Fr. 5‘350‘000.– ab. Mit diesem Geld sollen auf dem Areal Sandgrueb Wohnunterkünfte für Asylsuchenden gebaut werden. Auf einer Excel-Tabelle hat die Gemeinde die verschiedenen Varianten berechnet. Oh Wunder! Die Variante Elementbau ist die Günstigste! Günstiger als Wohncontainer? Letztere schlägt auf dem gemeindeinternen Taschenrechner mit Total 6'443'950.-- (SIC) zu Buche. Als ehemaliger KV-Stift in einer Hochbauunternehmung und mit Branchenkunde-Abschlussnote 5.5, werde ich stutzig.

Ein Blick über den Tellerrand zeigt: Die Lösung Wohncontainer kostet zum Beispiel in der Luzerner Gemeinde Ebikon rund 5 Millionen Franken. Für 71 Personen? Nein. Für 160 Personen! Fragt man Experten, gehen diese davon aus, dass eine Containerlösung  rund 25 bis 30% günstiger käme, als die Variante Elementbau. Die Variante Wohncontainer wäre also preislich attraktiver. Viel attraktiver. Aber sind Wohncontainer menschlich? 

Die Mär von der trostlosen Lösung. Sie geistert noch immer in den Köpfen vieler umher. Kollege Manuel Navarro vom Zürcher Unterländer hat am 15. April den Container-Spezialisten Condecta AG besucht. "Unsere Standardmodule, die als Schulzimmer, Büros oder eben auch als Wohnungen genutzt werden können, haben eine deutlich stärkere Hülle als das Baustellenmodul", erklärt der Verkaufsleiter gegenüber dem Unterländer. Und weiter: "Rein von der Bauweise erfüllen wir den Minergiestandard". Die Wohncontainer von heute haben nichts mit den Baucontainern in unseren Köpfen zu tun.

Um der Container-Variante den Garaus zu machen, schreibt die Gemeinde Eglisau in ihren Abstimmungsinformationen: "Wohncontainer sind keine längerfristige Lösung. Sie müssen nach 15 Jahren ersetzt werden." Falsch, falsch, falsch! Sagt auch der Condecta-Experte im Zürcher Unterländer: "Ein Modul hält mindestens 20 Jahre, im Normalfall sogar 40 Jahre." Dass manche Gemeinden erklärt haben, die Module hielten höchstens 15 Jahre lang, irritiert ihn. «Das ist schlicht falsch.» Eine längere Lebensdauer ergäbe auch eine andere Kostenstruktur. Und noch eine Aussage des Experten fällt auf und scheint interessant für Eglisau: "Die meisten unserer Kunden kaufen gar keine Module, sondern mieten diese nur."

Wie sich die Zukunft der Welt, der Schweiz, des Unterlandes, von Eglisau entwickeln wird, weiss niemand. Und genau deshalb ist ein teurer, starrer, ewiger Elementbau nicht sinnvoll, im Gegensatz zu einer flexiblen, schnellen, und - richtig gerechnet - günstigeren Variante "Wohncontainer". Es braucht am 9. Juni ein NEIN von den Eglisauer Wählerinnen und Wählern. Der Gemeinderat muss einmal mehr zurück "in den Übungskeller" und über die Bücher geschickt werden. Oft darf ihm dies nicht mehr passieren. 

Marc Jäggi 

Der zuständige Gemeinderat bekommt die Möglichkeit, auf Fragen von zueriunterland24.ch zu antworten. Wir werden diese Antworten am Montag publizieren. 

Marc Jäggi