Wie weiter mit der Pflegewohngruppe "Kleeblatt" in Eglisau? An der Gemeindeversammlung vom 4. September entscheidet die Stimmbevölkerung über die Zukunft der Pflege von Demenz-Betroffenen. Es kommen zwei Varianten zur Abstimmung. Eine "privatwirtschaftliche" und eine "staatliche" Lösung.
Variante 1: Übertragung des Mietvertrags der Pflegewohngruppe "Kleeblatt" an einen Drittanbieter.
Variante 2: Das gemeindeeigene Alterszentrum Weierbach (AZW) realisieren die Pflegewohngruppe "Kleeblatt" selber und holt sich dafür externe Unterstützung.
Die Gemeinde Eglisau und die zuständige Behörde für Alters- und Pflegefragen (BAPF) sagen klar: Beide Varianten sind machbar und geeignet. Mit beiden Varianten bleibt für die Eglisauer Bevölkerung ein bedarfsgerechtes Angebot an Pflegewohnplätzen sichergestellt. BAPF und Gemeinderat empfehlen der Stimmbevölkerung beide Varianten zur Annahme, wobei sie der «Übertragung des Mietvertrags an einen Drittanbieter» den Vorzug geben.
Alles klar, oder? Nicht ganz. Im Entscheidungsfindungsprozess stellen sich dem Souverän ein paar wichtige Fragen. Braucht es bei der Vergabe eines Auftrages durch die öffentliche Hand nicht eine öffentliche Ausschreibung? Wer entscheidet, mit welchem Drittanbieter, bzw. Unterstützer man bei der jeweiligen Variante zusammenarbeitet? Fliessen bei den Krediten zur Variante "selber machen mit Unterstützung" Steuergelder? Und warum kommt das Geschäft "nur" in die Gemeindeversammlung und nicht an die Urne?
zueriunterland24.ch hatte die Gelegenheit, dem politisch neutralen Eglisauer Gemeindeschreiber Lucas Müller ein paar häufig diskutierte Fragen zu stellen.
zu24: Die Gemeinde spricht bei den Varianten von Gesprächen mit (Variante I) der Oase am Rhein AG und (Variante II) der Spitex am Rhein. Sind je nach Abstimmungs-Ausgang Oase oder SAR gesetzt oder muss es eine öffentliche Ausschreibung geben?
Lucas Müller: Das ist richtig, mit beiden Organisationen wurden Gespräche geführt. Bei der Variante 1 (Übertragung des Mietvertrags an einen Drittanbieter) steht fest, dass die Pflegewohngruppe Kleeblatt an die Oase am Rhein AG übertragen würde. Im Januar 2024 hat die BAPF die zwei ortsansässigen Organisationen Spitex am Rhein und Oase am Rhein AG angefragt, ob sie den Mietvertrag übernehmen würden. Dabei hat nur die Oase am Rhein AG zugesagt, den Mietvertrag eins-zu-eins zu übernehmen. Die Übertragung des Mietvertrags fällt nicht unter das Vergaberecht und muss daher nicht öffentlich ausgeschrieben werden. Jedoch bedarf es der Zustimmung der Wohnbaugenossenschaft Rhihalde als Vermieterin. Die BAPF hat diesbezüglich mit ihr ebenfalls Gespräche geführt. Bei Variante 2 (selber realisieren mit Unterstützung) hängt es von der konkreten Ausgestaltung der Zusammenarbeit ab, ob es eine öffentliche Ausschreibung benötigt. Da die Spitex am Rhein einen Vorschlag für eine Zusammenarbeit gemacht hat, wird eine solche mit ihr angestrebt.
Nochmal nachgefragt: Stimmt das Volk mit der jeweiligen Variante auch automatisch der Oase bzw. SAR zu?
Wer den Zuschlag erhält, ist nicht direkter Bestandteil der Abstimmung. Bei der Variante 1 hat sich die Oase am Rhein AG bereit erklärt, den Mietvertrag zu übernehmen. Bei Variante 2 wird das AZW die Pflegewohngruppe selber realisieren, jedoch mit Unterstützung. Für die Projektunterstützung und Zusammenarbeit wird die Spitex am Rhein favorisiert. Wie diese Projektunterstützung genau aussieht, ist noch Verhandlungssache und liegt in der Entscheidungskompetenz der BAPF.
Also liegt es in der Kompetenz der zuständigen Behörde zu entscheiden, mit wem man bei der jeweiligen Variante zusammenarbeitet?
Ja, die vom Eglisauer Stimmvolk gewählte BAPF ist gemäss Gemeindeordnung für die strategische Führung des Alterszentrums Weierbach zuständig. Es ist ihr wichtig, dass sie dem Volk aufzeigen kann, welche Folgen die jeweiligen Varianten haben.
Was bleibt, ist der gesprochene Kredit vom Volk an der Urnenabstimmung vom 15. Mai 2022 für die Miete und den Betrieb der Pflegewohngruppe Kleeblatt. Warum wird über Varianten abgestimmt und nicht über den Kredit, den es zu behalten oder zurückzunehmen gilt?
An der Gemeindeversammlung wird letztlich über die Kredite abgestimmt, die die Varianten zur Folge haben. Dies wird auch im Weisungsheft ersichtlich, das in den nächsten Tagen in alle Haushaltungen in Eglisau verteilt wird. Wer Variante 1 (Übertragung des Mietvertrags an einen Drittanbieter) bevorzugt, stimmt dafür, dass der Kredit für die Miete und den Betrieb der Pflegewohngruppe «Kleeblatt» vom 15. Mai 2022 aufgehoben wird. Wer Variante 2 (Selber realisieren mit Unterstützung) bevorzugt, stimmt für einen Zusatzkredit für die Miete und den Betrieb der Pflegewohngruppe «Kleeblatt» zwecks Projektinitialisierung. Dieser kommt zum ursprünglichen Kredit, den das Stimmvolk am 15. Mai 2022 bewilligt hat, hinzu. Bei diesen Krediten ist wichtig zu wissen, dass dafür kein Steuergeld fliesst. Dieses Geld muss das Alterszentrum Weierbach als eigenwirtschaftlicher Betrieb bereitstellen und erwirtschaften.
Müsste das Geschäft - rein von der Dimension her - nicht an die Urne? Oder anders gefragt, warum genügt aus eurer Sicht die Gemeindeversammlung?
Bei Variante 1: Gemäss § 111 Abs. 2 im Gemeindegesetz bedarf es für die Aufhebung eines an der Urne bewilligten Kreditbeschlusses der Zustimmung der Gemeindeversammlung. Auch handelt es sich um keine Ausgliederung gemäss § 69 des Gemeindegesetzes, da der Nachmieter die Pflegewohngruppe nicht im Auftrag der Gemeinde führen würde. Eine solche müsste vor die Urne. Bei Variante 2: Die Zuständigkeiten für einen Zusatzkredit richten sich nach dessen Höhe (gemäss § 109 Gemeindegesetz). Es entstehen Projektinitialisierungskosten von Fr. 156'000.00. Diese Mehrausgaben sind aufgrund der Höhe und der Finanzbefugnisse in der Gemeindeordnung Eglisau von der Gemeindeversammlung bewilligen zu lassen.
Wie wäre der Ablauf, wenn der Wille für einen Urnengang da wäre?
Für eine Urnenabstimmung müsste an der Gemeindeversammlung ein Antrag gestellt werden. Mindestens ein Drittel der Anwesenden mit Stimmrecht müsste dem Antrag zustimmen. Eine Abstimmung an der Urne könnte voraussichtlich am 24. November 2024 durchgeführt werden und hätte eine zeitliche Verzögerung zur Folge. Es muss mit rund sechs Monaten Vorlaufzeit ab dem Entscheid bis zum Bezug der Pflegewohngruppe gerechnet werden.