Der Zürcher Thomas Meyer gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schriftstellern des Landes. Nach einem abgebrochenen Jurastudium arbeitete er als Werbetexter und Journalist, bevor er 2012 mit seinem Debütroman "Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse" den literarischen Durchbruch schaffte. Der Roman wurde zum Bestseller und später erfolgreich verfilmt.
Nun hat sich Meyer auf ein ungewöhnliches Projekt eingelassen. Als erster Kulturgast des Künstlerateliers der Regionalkonferenz Nördlich Lägern widmet er sich einem umstrittenen, regionalen Thema mit nationaler und internationaler Ausstrahlung: dem geplanten Tiefenlager für radioaktive Abfälle. Doch eines stellt Meyer von Anfang an klar: „Ich bin nicht von der Nagra gekauft.“ Seine Auftraggeberin ist die Regionalkonferenz Nördlich Lägern. Ein Zusammenschluss von Behörden und Fachgruppen mit dem Ziel, dass beim Bau des Tiefenlagers die Bedürfnisse der Region berücksichtigt werden.
Für den Schriftsteller Thomas Meyer ist die Teilnahme an diesem Projekt kein leichtfertiges Unterfangen. „Es ist ein schöner Auftrag, aber auch eine Herausforderung“, erklärt er. „Die Komplexität des Themas und die Widersprüche, die es aufwirft, haben mich von Anfang an gereizt.“
Meyer betont, dass seine Motivation aus einer tiefen persönlichen Betroffenheit kommt. „Ich bin ein Tschernobyl-Kind,“ sagt er und verweist auf seine Erfahrungen in den 80er Jahren, als die Reaktorkatastrophe die Welt erschütterte. Diese Ereignisse haben ihn geprägt und seine kritische Haltung gegenüber der Atomkraft befeuert. „Das hat viel mit mir gemacht“, gibt er offen zu.
Während seines Aufenthalts in der Region will Meyer nicht nur Kunst schaffen, sondern auch den Dialog mit der Bevölkerung suchen. „Ich habe mit vielen Menschen gesprochen, die unterschiedlichste Ansichten haben. Die Angst, die hier in der Region vor einem Endlager herrscht, ist greifbar“, erzählt er. Diese Ängste sind es, die er in seinen Werken aufgreift – manchmal provokativ, manchmal kindlich naiv, um auch die jüngsten Mitglieder der Gesellschaft zu erreichen.
„Die Angst hat Bilder“, sagt Meyer und beschreibt, wie tief verankert diese Emotionen in den Menschen sind. „Obwohl die Nagra seit Jahrzehnten forscht und überprüft, bleibt die Angst, dass alles eine Mogelpackung ist, bei vielen real.“ Doch anstatt diese Ängste zu ignorieren, stellt Meyer sie in den Mittelpunkt seiner künstlerischen Auseinandersetzung. „Ich finde es spannend, wie intelligente Menschen in solchen Diskussionen plötzlich irrational reagieren. Das will ich verstehen und künstlerisch verarbeiten.“
Sein Ansatz, das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, zeigt sich auch in seinen Projekten. Meyer hat mit "Benny Brennstab" eine süsse Figur geschaffen, die von Kritikern schon als infantile Verharmlosung des brisanten Themas bezeichnet wurde. Oder auch die sympathischen Behälter mit Sprechblasen am Fenster des Nagra-Treffpunkts in Stadel wirken mehr wie eine Einladung zum Spielen als wie hochriskante radioaktive Abfälle. Ein bewusster Kontrast zur ernsten Thematik. „Ich will, dass auch Kinder fragen: Was ist das?“, erklärt er. Kritik an dieser Herangehensweise nimmt er gelassen hin. „Ja, es ist eine Infantilisierung, aber sie ist beabsichtigt. Ich möchte, dass das Thema auf allen Ebenen greifbar wird.“
Meyer lässt keinen Zweifel daran, dass seine Kunst nicht einfach nur dekorativ sein soll. „Meine Mission ist, mit den Widersprüchen des Themas zu spielen und dadurch Diskussionen anzustoßen,“ sagt er. Die Auseinandersetzung mit der Bevölkerung ist ihm dabei besonders wichtig. „Es geht mir nicht darum, den Menschen zu sagen, was sie denken sollen. Ich möchte, dass sie sich selbst reflektieren.“
Doch wie geht Meyer mit dem Vorwurf um, sich für das Projekt als PR-Maschinerie einspannen zu lassen? „Ich bin nicht von der Nagra gekauft“, wiederholt er bestimmt. „Ich habe kein Interesse daran, für jemanden Werbung zu machen. Es geht mir darum, ein gesellschaftlich relevantes Thema künstlerisch zu bearbeiten.“
Meyer sieht das Künstleratelier als Chance, tief in die Thematik einzutauchen und neue Perspektiven zu gewinnen. „Wenn ich das Maximum aus dieser Erfahrung nicht heraushole, dann habe ich versagt,“ gibt er zu. Für ihn ist das Projekt nicht nur eine berufliche Herausforderung, sondern auch eine persönliche Mission.
Ob Thomas Meyers Engagement die Diskussionen in der Region beeinflussen wird, bleibt abzuwarten. Eines steht jedoch fest: Mit seiner unabhängigen und kritischen Herangehensweise bringt er frischen Wind in eine komplexe, kontroverse Debatte. „Ich freue mich auf die kommenden Wochen bis zur Finissage meines Engagements,“ sagt er abschließend, „und darauf, zu sehen, welche Impulse meine Arbeit auslöst."
Die Finissage mit Thomas Meyer findet am 24. Oktober um 18 Uhr im Sigristenkeller Bülach statt. Über diesen Link können sich alle Interessierte anmelden und dabei sein.