Am Mittwoch steht auf der Traktanden-Liste der Gemeindeversammlung in Eglisau nur ein einziger Punkt: Betrieb der Pflegewohngruppe “Kleeblatt”. Es könnte der letzte Akt in einer schier "unendlichen Geschichte" werden. Könnte. Dann nämlich, wenn sich die politischen Kräfte, bestehend aus SP, Fokus Eglisau, GLP, Mitte und FDP, mit ihrem Willen bei der anwesenden Eglisauer Stimmbevölkerung durchsetzen und die Pflegewohngruppe Kleeblatt nicht von der privaten Oase am Rhein AG, sondern von der öffentlichen Hand, also vom Alterszentrum Weierbach (AZW) betrieben wird.
Diese sogenannte Variante 2 wäre auch ganz im Sinne der Spitex am Rhein. Der Verein erhofft sich ein mehrjähriges Mandat zur Unterstützung des AZW bei der Umsetzung und dem Betrieb der Pflegewohngruppe Kleeblatt. Diese Unterstützung wäre nötig, weil das Alterszentrum gerade mit sich und ein paar grösseren Herausforderungen beschäftigt ist.
In einer Gemeinde von der Grösse von Eglisau ist es unvermeidbar, dass sich Interessen und Funktionen vermischen. In den meisten Fällen ist dies unbedenklich. Und dort wo es heikel werden könnte, müssen direkte Fragen gestellt werden. zueriunterland24.ch hat dies getan. Peter Bär, Vorstandsmitglied bei der Spitex am Rhein, ehemaliger Eglisauer Gemeindepräsident und leitendes Mitglied der Ortspartei Fokus Eglisau, hat sich diesen Fragen gestellt.
zu24: Peter Bär, cui bono? Warum will die Spitex am Rhein den Auftrag und damit Variante 2?
Peter Bär: Wir setzen uns dafür ein, dass das Angebot in der Alterspflege weiterhin in der Verantwortung der öffentlichen Hand verbleibt. Auch der Gemeinderat und die BAPF erwähnen in ihrer Stellungnahme das altersstrategische Potenzial der Variante 2. Die Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Spitex am Rhein und dem AZW ist eine einmalige Chance für die Stärkung der integrierten Versorgung in Eglisau. Das Konzept Spitex/Spitin – Zusammenarbeit und Koordination der Pflege zu Hause und im Heim – wird aus verschiedenen Gründen immer wichtiger (konsequente Umsetzung des Prinzips „ambulant vor stationär“, Kosten, Personalmangel).
zu24: Die Spitex am Rhein soll laut Variante 2 das Alterszentrum Weierbach unterstützen. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Ihre Organisation über genügend personelle und finanzielle Ressourcen verfügt, um diese zusätzliche Belastung langfristig zu tragen?
Peter Bär: Die Spitex am Rhein mit ihrem Geschäftsführer Horst Ubrich verfügt über einen 10-jährigen Leistungsausweis in Pflege und Betreuung für vier Gemeinden im Rafzerfeld. Das AZW wird die Unterstützung für ca. 2 Jahre benötigen, bis es den Turnaround geschafft hat und die Führung der Wohngruppe Kleeblatt alleine stemmen kann.
zu24: Können Sie garantieren, dass die Qualität der Pflege bei einer zusätzlichen Verantwortung für das Kleeblatt nicht leidet? Wie wollen Sie den erhöhten Anforderungen gerecht werden?
Peter Bär: In der Variante 2 wird das Personal für das Kleeblatt vom AZW gestellt. Die Unterstützung für das AZW würde so organisiert, dass die Pflegeleistungen der Spitex am Rhein für die vier Gemeinden mit Leistungsvereinbarung nicht tangiert werden.
zu24: Wie schätzen Sie das Risiko ein, dass die Zusammenarbeit zwischen Spitex am Rhein und dem Alterszentrum Weierbach zu organisatorischen Konflikten oder Verzögerungen führt? Haben Sie einen konkreten Plan, um solche Herausforderungen zu meistern?
Peter Bär: Nach der Betriebsanalyse des AZW hat sich die BAPF vom bisherigen Heimleiter getrennt. Der Neustart mit einer neuen Leitung ist eine große Chance, dass die erwähnte Zusammenarbeit erfolgreich aufgegleist werden kann.
zu24: Welche Maßnahmen haben Sie geplant, um sicherzustellen, dass die Kommunikation und Koordination zwischen der Spitex am Rhein und dem Alterszentrum Weierbach reibungslos verläuft?
Peter Bär: Von zentraler Bedeutung ist die sorgfältige Planung der Unterstützung. Dazu wurde bereits ein Pflichtenheft mit einer Meilensteinplanung erstellt.
zu24: Falls Variante 2 gewählt wird und sich im Laufe der Zeit zeigt, dass die Anforderungen an die Spitex am Rhein zu hoch sind, was wäre Ihr Notfallplan? Wie würden Sie sicherstellen, dass die Pflege weiterhin gewährleistet bleibt?
Peter Bär: Die Unterstützung des AZW gemäß Variante 2 umfasst Projektleitung und Organisation, nicht die Pflege. Die Zusammenarbeit im Rahmen der Unterstützung des AZW würde selbstverständlich laufend überprüft. Bei Schwierigkeiten würden die Beteiligten gemeinsam notwendige Maßnahmen erarbeiten.
zu24: Wie realistisch ist aus Ihrer Sicht die Einschätzung der IPK, dass das finanzielle Risiko bei Variante 2 „klein und einschätzbar“ ist? Teilen Sie diese Sichtweise, und wenn ja, warum?
Peter Bär: Wir teilen diese Einschätzung der IPK. Alle vorliegenden Expertenberichte zeigen auf, dass das Kleeblatt mindestens mit einer schwarzen Null betrieben werden kann. Der finanzielle Erfolg hängt von mehreren Faktoren ab, die nicht alle unmittelbar beeinflusst werden können (z.B. Belegung, Pflegestufen). Das gilt für jede Institution in der Alterspflege.
zu24: Wie sehen Sie die mittel- und langfristige Rolle der Spitex am Rhein in Eglisau, sollte Variante 2 gewählt werden?
Peter Bär: Die Entwicklung wird vermehrt in Richtung einer integrierten Versorgung gehen: Enge Zusammenarbeit von Betreuung und Pflege zuhause und in entsprechenden Institutionen.
zu24: Sie sind im Vorstand der Spitex und gleichzeitig in der Führung der Ortspartei fokusEglisau. Peter Bolli ist im Vorstand Spitex und in der RPK. Das sieht alles sehr nach „Klüngel“ und „abgekartetem“ Spiel aus.
Peter Bär: Die Demokratie in der Schweiz lebt davon, dass sich Personen in Parteien/Behörden und in Institutionen engagieren. Die Spitex am Rhein ist ein gemeinnütziger Verein, der keinerlei finanzielle Interessen verfolgt. Dies im Gegensatz etwa zur Oase am Rhein, die einem Aktionariat verpflichtet ist und Gewinn ausweisen muss. Die Begriffe „Klüngel“ und „abgekartetes Spiel“ sind hier völlig deplatziert.
zu24: Die Gemeinde bevorzugt Variante 1. Sie tut dies auch, weil sie die Situation im AZW kennt. Warum sind Sie anderer Meinung?
Peter Bär: Wir können nicht nachvollziehen, warum Gemeindrat und BAPF die Variante 1 bevorzugen. So würde ein wichtiger Teil der Alterspflege privatisiert. Der Weiterbetrieb der nicht mehr zeitgemäß eingerichteten Rhiburg würde wegen der Konkurrenz durch das attraktivere Kleeblatt zunehmend zum finanziellen Risiko. Auch die dringend notwendige Sanierung der Rhiburg mit den entsprechenden Kosten wird in der Argumentation einfach ausgeklammert.
zu24: Welche Vorbehalte haben Sie gegenüber der Oase am Rhein, die bei Variante 1 zum Zuge käme?
Peter Bär: Wir haben keine Vorbehalte gegenüber der Oase am Rhein. Sie betreibt erfolgreich mehrere Alterszentren, die einen wichtigen Beitrag in der Pflege leisten. Unsere Vorbehalte richten sich gegen die Führung des politischen Prozesses in dieser Angelegenheit durch BAPF und Gemeinderat. Wir setzen uns dafür ein, dass der Volkswille gemäß Urnenabstimmung vom Mai 2022 beachtet und umgesetzt wird.
zu24: Wie stellen Sie sicher, dass die Spitex bei einem Entscheid für Variante 2 auch tatsächlich zum Zuge kommt und nicht in ein Submissionsverfahren muss?
Peter Bär: Variante 2 erfordert eine Unterstützung des AZW in der Führung der Wohngruppe Kleeblatt für eine befristete Zeit. Das Volumen dieses Auftrages liegt unterhalb der Schwellen für ein Submissionsverfahren. Wie die BAPF in ihrer Medieninformation vom 8. August 2024 mitgeteilt hat, ist „die BAPF diesbezüglich (Auftrag) mit der Spitex am Rhein im Gespräch“. Im Eglisauer Mitteilungsblatt 9/24 schreibt der Gemeinderat: „Bei Variante 2 wird für die Unterstützung eine Zusammenarbeit mit der Spitex angestrebt“. Wir gehen davon aus, dass diese Absicht noch immer besteht.