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Region Bülach
21.11.2024
21.11.2024 09:41 Uhr

Die Samichlaus-Tradition leidet unter dem Desinteresse der Eltern

Bild: St. Nikolaus Gesellschaft Bülach
Der Samichlaus steht vor immer grösseren Herausforderungen. Das grosse Interview mit Marcel Schäffer von der St. Nikolaus Gesellschaft Bülach.

Die Tradition des Samichlaus steht in der modernen Zeit vor grossen Herausforderungen. zu24 sprach mit Marcel Schäffer, Vorstandsmitglied der St. Nikolaus Gesellschaft Bülach, über die sich verändernden Erwartungen, die Rolle des Samichlaus, und wie Eltern auf den traditionellen Besuch reagieren. Dabei zeigt sich, dass nicht die Kinder, sondern die Erwachsenen oft den Wandel antreiben – oder bremsen. Hat die neue Generation Eltern gar eine Rute verdient?

zu24: Ist der Samichlaus bei den Kindern von heute überhaupt noch gefragt und gewünscht?

Marcel Schäffer: Der Samichlaus-Brauch erfreut sich, auch bei der heutigen Generation von Kindern, anhaltender Beliebtheit. Das Problem liegt weniger bei den Kindern, sondern eher bei den Erwachsenen. In unserer schnelllebigen Zeit und angesichts der ständigen Flut neuer Eindrücke durch moderne Medien, geht oft der Sinn für traditionelle Werte und Bräuche verloren. Es ist leicht, in der Erziehung zu sagen, dass es den Samichlaus, das Christchindli oder den Osterhasen nicht gibt. Wenn der Samichlaus dann aber tatsächlich vor einem steht, sind die meisten Menschen – Kinder wie Erwachsene – beeindruckt und etwas ehrfürchtig. Selten erleben wir, dass sich weder Kinder noch Erwachsene am Anblick des Samichlaus und seiner Begleiter erfreuen. Die leuchtenden Augen der Kinder, wenn sie die Tür öffnen und der Samichlaus mit seinen Schmutzli ins schön geschmückte Wohnzimmer tritt, zeigen, dass der Brauch noch immer lebt.

zu24: Warum geht die Nachfrage zurück?

Marcel Schäffer: Die heutige Elterngeneration tut sich schwerer, solche Traditionen zu organisieren. Für viele ist es zu aufwendig, am Samichlaus-Telefon einen Termin zu vereinbaren, einen Steckbrief auszufüllen und Verwandte oder Bekannte einzuladen. Oft scheitert es schon daran, dass der Samichlaus genau am 6. Dezember zur Wunschzeit bereits gebucht ist. Auch die Zuwanderung fremder Kulturen, die den Brauch nicht kennen oder leben, spielt eine Rolle beim Rückgang. Wir unternehmen viel, um diesem Wandel entgegenzuwirken, wie zum Beispiel durch den Samichlaus-Einzug ins Städtli, der jedes Jahr Tausende von Zuschauern anzieht.

zu24: Gibt es bei den Samichläusen in Bülach einen Fachkräftemangel?

Marcel Schäffer: Ja, leider haben alle Samichlaus-Gesellschaften ein Nachwuchsproblem. Die Überalterung macht sich bemerkbar, und viele junge Leute möchten sich nicht mehr langfristig engagieren. Glücklicherweise melden sich doch immer wieder junge Menschen, die den Brauch erhalten möchten, entweder weil sie selbst schöne Erinnerungen daran haben oder weil sie ihn weiterleben lassen möchten. Solche Eigeninitiative ist besonders wertvoll.

zu24: Müsste die St. Nikolaus Gesellschaft Bülach nicht "lauter" auf sich aufmerksam machen?

Marcel Schäffer: Wir können den Samichlaus nicht mit Werbungen in den Medien bewerben, da er aus dem Wald kommt und keine „Werbefigur“ ist. Zudem müssen wir vorsichtig sein, nicht zu aggressiv aufzutreten, da Kinder oft auch Medien konsumieren. Der Samichlaus soll in der Vorweihnachtszeit präsent sein, aber danach wieder in den Hintergrund treten.

zu24: Was sind die Anforderungen heute an den Samichlaus?

Marcel Schäffer: Der heutige Samichlaus muss viele Fähigkeiten mitbringen: ein freundliches Auftreten, Sorgfalt bei Kleidung und Ausstattung, schauspielerisches Talent und gutes Rednertalent. Er muss spontan, aufmerksam und empathisch sein und seinen Auftritt mit Herz und Würde leben. Es geht darum, Freude zu bereiten – den Menschen und sich selbst.

zu24: Welche Rolle hat der Schmutzli heute?

Marcel Schäffer: In unserer Gesellschaft begleitet der Samichlaus immer zwei Schmutzli. Einer ist der Sackschmutzli, der Geschenke und die Fitze trägt, die zur Reinigung der Schuhe dient, bevor es in die Stube geht. Der Buchschmutzli hält das Glöggli und liest aus dem roten Buch vor. Diese Struktur ermöglicht es uns, Interessierten einen „Schnupper-Einstieg“ als Sackschmutzli anzubieten, bevor sie andere Rollen übernehmen.

zu24: Ganze Generationen sind bis heute traumatisiert vom Samichlaus von damals! Spürt ihr das manchmal?

Marcel Schäffer: Nein, das spüren wir heute kaum noch. Schulungen haben den Brauch zeitgemäss angepasst. Der „böse“ Samichlaus und der Schmutzli, die Kindern Angst machen, gehören der Vergangenheit an.

zu24: Wer wird eigentlich Samichlaus und wer Schmutzli?

Marcel Schäffer: Jeder kann Schmutzli werden und beginnt als Sackschmutzli. Nach einigen Besuchen können sie Buchschmutzli werden. Wer sich bewährt, kann nach Vorschlag und Ausbildung zum Samichlaus aufsteigen. Gute Schmutzli sind für den Erfolg eines Besuchs genauso wichtig wie der Samichlaus selbst.

zu24: Was macht die St. Nikolaus Gesellschaft Bülach unter dem Jahr?

Marcel Schäffer: Der Vorstand trifft sich regelmässig zur Planung der nächsten Saison und zur Pflege des Brauchs. Nach der Samichlaus-Saison gibt es ein gemütliches Beisammensein für alle Helfer. Zudem unterstützen wir Gemeindefeste, organisieren Grillnachmittage, Wanderungen und vieles mehr. Im Herbst gibt es die Generalversammlung und danach die Vorbereitung auf den Samichlaus-Einzug und die Besuche.

zu24: Der Einzug in Bülach ist ein Höhepunkt. Was macht ihn so speziell?

Marcel Schäffer: Der Einzug in Bülach ist einer der grössten der Region und wird mit viel Aufwand organisiert. Der Höhepunkt ist der Einzug in die Altstadt, der bei vielen Gänsehaut auslöst.

zu24: Was sage ich einem Kind, das an den einzigen Samichlaus glaubt, wenn viele eintreffen?

Marcel Schäffer: „Schau gut hin, ob du in der Menge den wahren Samichlaus entdeckst.“

zu24: Wer noch einen Samichlaus zu Hause möchte, was ist zu tun? Was kostet der Samichlaus?

Marcel Schäffer: Die Informationen finden sich auf unserer Website, wo man auch das Samichlaus-Telefon erreichen kann. Besuche sind grundsätzlich kostenlos, wir freuen uns aber über eine freiwillige Spende zur Deckung unserer Kosten.

Einzig am Aussenstandort im "Rütihof" besteht ein Tarif von Fr. 25.00 pro Kind inkl. Samichlaus-Säcklein, welches wir abgeben. Um unsere laufenden Kosten zu decken wünschen wir uns, dem Schmutzli nach einem Familien-Besuch mit zwei Kindern CHF 60.-- mitzugeben. Wenn mehr Kinder anwesend sind, wäre es angebracht, den Betrag zu erhöhen. Natürlich, darf man den Brauch, auch mit einem grösseren "Batzen"unterstützen. Der Betrag geht voll und ganz an unser Aufwände, wie den Samichlaus-Einzug, welchen wir selbstständig finanzieren, Ausrüstung, Ausbildung und so weiter. Alle Mitwirkenden der St. Nikolaus-Gesellschaft Bülach leisten ihren Beitrag freiwillig und kostenlos.

Der Chlaus-Einzug ist am kommenden Sonntag 24. November 2024 um 17:00 Uhr im Städtli Bülach. 

 

 

Bild: St. Nikolaus Gesellschaft Bülach
mj