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Sport
10.03.2025

Matchstrafe im stillen Kämmerchen

Volle Konzentration auf jede Sequenz: die Video-Referees in ihrer geschützten Werkstatt in Volketswil.
Volle Konzentration auf jede Sequenz: die Video-Referees in ihrer geschützten Werkstatt in Volketswil. Bild: Keystone SDA
Die Zürcher Fussballklubs GC und FCZ fühlen sich am Wochenende vom Video-Schiedsrichter in Volketswil verschaukelt. Sie haben recht. Ein Kommentar von Thomas Renggli.

Es kommt selten vor, dass die Zürcher Stadtrivalen GC und FCZ vorbehaltlos einer Meinung sind. Nach der Super-League-Runde vom Wochenende ist dies aber der Fall. Die beiden Klubs fühlen sich vom Video Assistant Referee (VAR) in Volketswil um den Lohn ihrer Bemühungen gebracht.

Abrashi als Opfer

Bei den Grasshoppers sah am Samstag in St. Gallen Amir Abrashi nach VAR-Intervention die Rote Karte. Dabei war es der GC-Kapitän, der vom St. Galler Akolo gefoult worden war. Der Videorichter in Volketswil sah es anders – und leitete mit diesem Entscheid in der 21. Minute die 1:3-Niederlage der Zürcher ein. Faktisch stellte er mit dem Eingriff aus der Distanz das ganze Spiel auf den Kopf.

San spult das Geschehen zurück

Und am Tag darauf jubelte der FC Zürich gegen Servette über den Ausgleich – bevor Schiedsrichter San auf ein Handspiel aufmerksam gemacht wurde, dass irgendwann in der Entstehung des Tores (ungefähr 10 Sekunden bevor der Ball die Linie überquert hatte) geschehen sein soll. San spulte das Geschehen quasi zurück, annullierte den Treffer und kappte den Schwung der Zürcher.

Hinterzimmer-Gremium entscheidet

So wenig die beiden Szenen direkt etwas miteinander zu tun haben, so sehr dokumentieren sie die Crux am Video-Entscheid im Schweizer Fussball: Ein Gremium in einem Hinterzimmer in Volketswil – weit weg vom Geschehen auf dem Rasen und den Emotionen im Stadion – kann mit Stoppuhr, Massstab und kreativer Grenzenlosigkeit jede Spielsituation sezieren und im keimfreien Raum Entscheidungen fällen, die für die Besucher vor Ort (auch in Ermangelung des bewegten Bildes) nicht nachvollziehbar sind.

Wo bleibt der Ermessensspielraum?

Zweifellos: Der VAR könnten seinen Nutzen haben – wenn er dort einschreitet, wo es Sinn macht und der Transparenz dient. Er kann zentimetergenau eruieren, ob der Ball die Torlinie überquert oder ein Stürmer im Abseits steht.

Fallen die Entscheide aber in den Dunstbereich des Ermessenspielraums und des gesunden Menschenverstands, darf sich das Videogericht aus Volketswil nicht einschalten. Sonst handelt sich der Schweizer Fussball ein grosses Glaubwürdigkeitsproblem ein. Und er droht sein Publikum vor den Kopf zu stossen. Weshalb soll man noch ins Stadion gehen, wenn die wichtigsten Szenen nicht nachvollziehbar sind und hinter den Kulissen entschieden werden?

Nötigung der Schiedsrichter

Und was sollen die Schiedsrichter denken? Der Video-Richter müsste die Referees auf dem Platz unterstützen – und sie nicht aus der Ferne zu schwer verständlichen Urteilen nötigen. Schaut man lange genau hin, könnte man wohl jeden Treffer nachträglich annullieren. Der Fussball hat eine grandiose Qualität: Er ist voller Emotionen, Diskussionen und Halbwahrheiten.

Dies darf der VAR nicht zerstören.

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