Jetzt ist Schluss mit lustig! Die Gemeinde Eglisau im Zürcher Unterland greift zu einer drastischen Massnahme, die Autofahrer und Pendler aufhorchen lässt: Ab Mai wird auf der stark befahrenen Rheinbrücke eine Maut erhoben. Wer durch das Städtchen fährt, soll 4.30 Franken pro Fahrt zahlen – "so viel wie eine Tasse Kaffee", wie es aus dem Gemeindehaus heisst. Wer hier durchwill, soll zahlen. Punkt.
Der Frust sitzt tief. Seit Generationen fordert Eglisau eine Umfahrung. Seit Generationen passiert – nichts. Währenddessen schiebt sich Tag für Tag eine endlose Blechlawine durchs Ortszentrum. Im Schnitt 22'000 Fahrzeuge rollen täglich über die Brücke. Mehr als auf der Gotthard-Autobahn. Darunter überdurchschnittlich viele Lastwagen. Und es wird nicht weniger. Im Gegenteil.
Die Folge: Lärm, Gestank, Gefahr, genervte Anwohner. Kinder, die nicht mehr allein zur Schule gehen können. Rentner, die sich kaum über die Strasse trauen. "Wir leben hier wie an einer Autobahn – mitten im Dorf", sagt eine Bewohnerin. Jetzt hat der Gemeinderat genug.
Die Maut kommt. Ohne Rücksicht auf Verluste. Wer zahlen muss, entscheiden Kameras und Sensoren auf sogenannten Kontrollbrücken. Sie erkennen, wer durchfährt, registrieren das Nummernschild und schicken entweder eine Monatsrechnung oder schlagen den Betrag direkt auf eine digitale Vignette. Wer möchte, kann für 120 Franken im Jahr unbegrenzt fahren – zusätzlich zur Autobahnvignette. Für Einheimische ist die Durchfahrt gratis. Sie können ihr Kontrollschild auf eglisau.ch registrieren und fahren automatisch mautfrei.
Die Idee, wie früher kleine Zollhäuschen aufzustellen, wurde schnell wieder verworfen. Zu teuer, zu aufwendig, zu stauanfällig. Statt Nostalgie gibt’s jetzt Digitalisierung. Effizient, lückenlos – und gnadenlos.
Natürlich weiss man in Eglisau, dass der Aufschrei gross sein wird. Besonders aus dem Rafzerfeld, aus Deutschland und von den Einkaufstouristen, die das Städtchen seit Jahren als billige Durchfahrtsroute nutzen. Doch die Gemeinde kontert kühl: "Wir sind überzeugt, dass unsere Argumente rund um eine unmenschliche Verkehrsbelastung alle überzeugen werden."
Ob die Maut rechtlich überhaupt zulässig ist, interessiert in Eglisau gerade herzlich wenig. Auf die Frage, ob man das denn einfach so dürfe, antwortet ein Sprecher mit einem Satz, der alles sagt: "Handeln! Fakten schaffen! Eglisau first! Das haben wir uns von der Trump-Administration abgeschaut."
Noch deutlicher wird’s bei der Frage nach dem Ziel: Die Maut soll bleiben – solange, bis endlich mit dem Bau der Umfahrung begonnen wird. Wann das sein wird, weiss niemand. Vielleicht in ein paar Jahren. Vielleicht nie.
Bis dahin klingelt die Kasse. Die Gemeinde rechnet mit Tageseinnahmen von bis zu 94'600 Franken. Monatlich könnten so fast 1.9 Millionen zusammenkommen. Geld, das Eglisau gut brauchen kann. Oder besser gesagt: nicht mehr brauchen muss. "Selbstredend, dass wir mit diesen Einnahmen den Steuerfuss auf ein tiefstes Niveau drücken können!", heisst es stolz aus dem Gemeindehaus. Und dann folgt ein Satz, der für Gesprächsstoff sorgen dürfte: "Vielleicht verzichten wir gänzlich auf Steuereinnahmen und werden zum Monaco der Schweiz."
Vom Kanton gibt es bislang keine Reaktion. Keine Zustimmung, kein Veto, kein Kommentar. Schweigen. Ob das Kalkül ist oder Ratlosigkeit – unklar.
Fest steht: Eglisau hat genug gewartet. Jetzt wird gehandelt. Und wer künftig durch die Gemeinde fahren will, muss zahlen. Ob er will oder nicht.