Das Sterben gehört zu den schmerzhaftesten, aber auch zu den menschlichsten Erfahrungen, mit denen ich als Hausarzt immer wieder konfrontiert werde. Es ist eine Realität, die nicht nur mich, sondern auch die betroffenen Patienten und ihre Angehörigen auf tiefgreifende Weise berührt. In meiner langen ärztlichen Laufbahn habe ich viele Menschen begleitet, die in einem Pflegeheim oder zu Hause ihre letzten Lebensjahre, -monate oder -wochen verbrachten. Es ist eine Erfahrung, die in den Alltag eines Arztes gehört, auch wenn sie immer wieder aufs Neue eine enorme emotionale Herausforderung darstellt.
Das Sterben ist keine abstrakte Vorstellung, sondern ein sehr persönlicher Prozess. Ich habe Patienten begleitet, die an schweren Krankheiten wie Krebs, Leberzirrhose oder anderen lebensverkürzenden Erkrankungen litten, und es war immer wieder bewegend, ihnen als Hausarzt in dieser Zeit beizustehen. In solchen Situationen geht es nicht nur um das medizinische Handeln, sondern vor allem um die Unterstützung und das Verständnis für die Menschen, die mit dem unvermeidlichen Ende konfrontiert sind.
Es gibt auch unerwartete Todesfälle, die besonders schmerzhaft und herausfordernd sind. Herzinfarkte, Unfälle oder plötzliche, unerklärliche Krankheiten können dazu führen, dass Menschen mitten aus dem Leben von uns gehen. Die Angehörigen sind dann oft ratlos, erschüttert und wissen nicht, wie sie mit dem Verlust umgehen sollen. Für uns als Ärzte bedeutet dies, neben der medizinischen Versorgung auch eine psychologische Rolle einzunehmen. Es erfordert Empathie und Sensibilität, den Hinterbliebenen in dieser schweren Zeit Trost zu spenden. Ich habe oft mit Angehörigen gesprochen, die den Verlust eines geliebten Menschen kaum fassen konnten. Sie brauchen nicht nur ärztliche Hilfe, sondern vor allem menschliche Unterstützung und Zuwendung.
Das Thema Sterben und Tod ist auch in der Psychotherapie ein zentrales Anliegen. Der amerikanische Psychotherapeut Irving Yalom, bekannt für seine Arbeiten zur existentiellen Psychotherapie, hat sich intensiv mit den Ängsten und Unsicherheiten auseinandergesetzt, die der Tod in uns allen hervorrufen kann. Yalom spricht davon, dass der Mensch sich mit der Unausweichlichkeit des Todes auseinandersetzen muss, um ein erfülltes Leben zu führen. Denn der Mensch lebt mit der ständigen Frage, wie er seine Endlichkeit akzeptieren kann. Dabei geht es nicht darum, den Tod zu verleugnen, sondern ihn als Teil des Lebens zu verstehen und ihm mit einer gewissen Gelassenheit zu begegnen.
Das Sterben und die damit verbundene Auseinandersetzung mit dem Tod sind Bestandteil unseres Daseins. Für uns als Hausärzte gehört es zu den herausforderndsten, aber auch zu den bedeutsamsten Aufgaben, Patienten und deren Familien in diesen letzten Momenten zu begleiten. Der Tod ist unausweichlich, aber wenn wir ihn in unser Leben integrieren, können wir das Leben selbst besser in seiner ganzen Tiefe und Bedeutung erleben.
Dr. med. Giovanni Fantacci, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin mit Hausarztpraxis in Niederhasli.