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29.04.2025

Dr. Unterland: «Was ist Glück – und wo finden wir es wirklich?»

Bild: KI/zVg
zu24-Frühlingsserie mit Hausarzt 4.0 Dr. med. Giovanni Fantacci. Heute: Die Wissenschaft vom Glück – zwischen Philosophie, Psychologie und Alltag.

Was ist Glück? Diese Frage beschäftigt die Menschheit seit Jahrtausenden. Die antiken Philosophen entwickelten unterschiedliche Konzepte eines glücklichen Lebens: Aristoteles betonte die Tugendhaftigkeit, die Stoiker empfahlen Gelassenheit gegenüber dem Schicksal, und die Hedonisten suchten das Glück in Lust und Genuss. Heute hat sich die positive Psychologie als Wissenschaft vom gelingenden Leben etabliert.

Martin Seligman, einer ihrer bekanntesten Vertreter, beschreibt in seinem PERMA-Modell fünf wesentliche Säulen des Glücks: Positive Emotionen, Engagement, Beziehungen, Sinn und Erfolgserlebnisse. Praktische Übungen wie Dankbarkeitstagebücher, Achtsamkeit und Zielsetzung sollen helfen, das Glücksempfinden zu steigern. Doch reichen diese Methoden aus, um wirklich glücklich zu sein?

Die moderne Philosophie betont, dass jeder Mensch selbst für sein Glück verantwortlich ist. Existenzialisten wie Sartre und Camus sehen das Leben als sinnlos an – erst unsere Entscheidungen geben ihm Bedeutung. Dies kann jedoch überfordern. Wir sind nicht völlig frei in unseren Entscheidungen, sondern durch genetische Veranlagungen, soziale Einflüsse und Umweltbedingungen geprägt.

Auch als Arzt erlebe ich, dass Menschen oft klare Handlungsempfehlungen brauchen. Ein Patient mit einer Krebsdiagnose möchte nicht nur wissen, welche Optionen er hat, sondern auch eine Einschätzung, welche Wahl am sinnvollsten ist. Hier zeigt sich: Glück bedeutet nicht nur Selbstbestimmung, sondern auch Orientierung und soziale Einbindung.

Sind wir also unseres Glückes Schmied? Bis zu einem gewissen Grad ja, aber nicht allein. Der Mensch ist ein soziales Wesen und Glück entsteht oft in Beziehungen. Kooperation, Unterstützung und Vertrauen spielen eine entscheidende Rolle. Wer sich nur mit sich selbst beschäftigt, verpasst das eigentliche Glück: die Verbindung mit anderen und die Erfüllung im gemeinsamen Tun.

Letztlich bleibt Glück ein individuelles Empfinden. Vielleicht ist nicht das Glück selbst das Ziel des Lebens, sondern die Suche nach Sinn, die uns antreibt. Das antike Orakel von Delphi sagte: "Erkenne dich selbst!" Vielleicht liegt darin der wahre Schlüssel zum Glück.

Dr. med. Giovanni Fantacci, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin mit Hausarztpraxis in Niederhasli.

Giovanni Fantacci/mj