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25.11.2025
24.11.2025 20:16 Uhr

Gemeinderäte im Zürcher Unterland: Hoher Aufwand, bescheidene Entlöhnung – und die Folgen

Bild: Gemeinde Herisau
Von symbolischen Beträgen bis zu sechsstelligen Gehältern: Die Entschädigungen für Gemeindepolitiker:innen sind uneinheitlich – und oft nicht kostendeckend. Kleine Gemeinden kämpfen mit Rekrutierungsproblemen

Wer in einer Zürcher Unterland-Gemeinde politisch Verantwortung trägt, wird sehr unterschiedlich entschädigt. Eine nahezu vollständige Auswertung der offiziellen Angaben zeigt: Die Jahrespauschalen für Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten reichen von 10'000 Franken (Regensberg) bis zu 110'000 Franken (Bülach). Pro Einwohner gerechnet geben manche Gemeinden bis zu 23 Franken pro Jahr für ihre Präsidentinnen und Präsidenten aus – andere nur 3 Franken.

Doch die Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen: Viele Gemeinden weisen nur die Grundentschädigungen aus, aber kaum Sitzungsgelder, Spesen oder Vergütungen für Kommissionen, Veranstaltungen oder repräsentative Aufgaben. Diese können das effektive Einkommen zwar erhöhen – wie stark, bleibt jedoch oft unklar.

Hoher Arbeitsaufwand, bescheidene Entlöhnung

Der Arbeitsaufwand für Gemeinderätinnen und Gemeinderäte entspricht in kleineren Gemeinden rund 20 bis 30 Prozent einer Vollzeitstelle – bei Gemeindepräsidentinnen und Schulpflegepräsidien oft bis zu 40 Prozent. Dennoch liegen die Entschädigungen meist weit unter vergleichbaren Löhnen in der Privatwirtschaft.

Der Klotener Stadtpräsident René Huber schätzt sein Arbeitspensum auf rund 60 Prozent – allerdings, wie er betont, nur dank der grossen Unterstützung der Verwaltung und weil er sich bewusst aus operativen Aufgaben heraushält.

Die Folge dieses Missverhältnisses: Vor allem kleinere Gemeinden haben Mühe, genügend Kandidatinnen und Kandidaten zu finden. «Wer soll schon für ein paar tausend Franken im Jahr einen halben Job machen?», sagt ein Gemeinderat aus dem Zürcher Unterland. Obwohl das Milizsystem ein Grundpfeiler unserer Lokalpolitik ist, leidet die Attraktivität der Ämter – und damit die Handlungsfähigkeit der Gemeinden.

Kleine Gemeinden, grosse Herausforderungen

Städte vs. Landgemeinden: Während Städte wie Bülach, Kloten oder Wallisellen ihre Präsidentinnen und Präsidenten mit über 60'000 Franken entschädigen, liegen ländliche Gemeinden wie Regensberg oder Schleinikon deutlich darunter – bei ähnlichem Arbeitsaufwand. Während der Klotener Präsident mit 60-Prozent-Pensum im Vergleich eher bescheiden entlöhnt ist, deutet die Bülacher Entschädigung darauf hin, dass dort fast ein politisches Profi-Pensum nötig ist.

Pro-Kopf-Kosten: Kleine Gemeinden mit wenigen Einwohnerinnen und Einwohnern geben pro Kopf oft mehr aus – ein Indiz für den hohen Verwaltungsaufwand in kleinen Strukturen.

Transparenzlücken: Viele Gemeinden führen nur die Grundentschädigungen aus. Sitzungsgelder, Spesen oder Nebenvergütungen sind zwar meist geregelt, aber erst ausbezahlt wird nur, was tatsächlich bezogen wird – und das bleibt für Aussenstehende schwer nachvollziehbar.

Fazit: Verantwortung hat ihren Preis – aber ist er fair?

Die Unterschiede sind beträchtlich, die Transparenz oft begrenzt. Während manche Gemeinden nahezu symbolisch entschädigen, honorieren andere das Engagement ihrer Bevölkerung mit grosszügigen Pauschalen. In vielen kleinen Gemeinden jedoch steht der Aufwand in keinem Verhältnis zur Entlöhnung – eine Schwäche unseres Milizsystems, in dem kommunale Politik oft aus Idealismus statt wegen finanzieller Anreize betrieben wird.

Doch ist dieses System noch zeitgemäss? Wird die Generation Z bereit sein, solche Ämter zu übernehmen – eine Generation, die als Digital Natives stark auf eine funktionierende Work-Life-Balance achtet?

Die Zukunft wird zeigen, ob das Milizsystem in seiner heutigen Form Bestand hat – oder ob sich Gemeinden neu erfinden müssen.

pw
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