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Region Bülach
17.06.2025
17.06.2025 09:05 Uhr

"Landsgemeinde" in Rafz - Deponie Bleiki wird deutlich abgelehnt

Bild: pw
Das ist Vorzeigedemokratie - eine Nachschau zum wegweisenden Entscheid der Gemeideversammlung in Rafz

"Willkommen zur Landsgemeinde" – mit diesen Worten eröffnete Kurt Altenburger die wegweisende Gemeindeversammlung und hatte damit viele Lacher der gegen 1000 Besucherinnen und Besucher auf seiner Seite! Es ging in dieser Gemeindeversammlung um nicht weniger als rund 24 Millionen Franken Einnahmen bzw. um eine Deponie der Klasse A bis E auf dem Gemeindegebiet. Nach einigen Informationsveranstaltungen, noch mehr Diskussionen und teils gehässig geführten Wortgefechten erwarteten die Behörden eine gespannte Atmosphäre. Eine Facebookgruppe wurde aufgrund von Drohungen und wüsten Kommentaren geschlossen (ZU24.ch berichtete: Facebookgruppe geschlossen), und seitens der Gemeinde wurden Sicherheitsleute für den Grossanlass engagiert (siehe auch den Beitrag auf ZU24.ch: Verschärfte Sicherheitsmassnahmen an der Gemeindeversammlung).

Alle Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet. Gross war der Anlass tatsächlich – grossartig sogar. Fast 30 Prozent der Rafzer Bevölkerung lebten die direkte Demokratie, wurden mobilisiert und diskutierten engagiert. Die Voten – viele gegen, einige für den Dienstbarkeitsvertrag mit der Firma Eberhard bzw. den Bau einer Deponie – wurden vorgetragen, keine bösartige Diskussionen, respektvoll und ohne spürbare Spannungen.

Schlussendlich brachte die geheime Abstimmung zu später Stunde ein klares Verdikt zu Tage: Um 22:18 Uhr verkündete Gemeindepräsident Altenburger das für die Gemeinde so wegweisende Resultat – von den 857 ausgezählten Stimmzetteln entfielen lediglich 176 auf "Ja", während überwältigende 678 mit "Nein" gegen die Deponie Bleiki stimmten. Auch die nachfolgende Abstimmung über einen Urnengang hatte – und das ist fast noch bemerkenswerter – keine Chance.

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Kommentar von Peter Wick, Verleger ZU24.ch:

Die Rafzerinnen und Rafzer sprachen sich klar und deutlich gegen eine Zukunft mit einer Abfalldeponie und für angeblich mehr Wohn- und Lebensqualität bzw. Sicherheit aus. Sie sprachen sich gestern aber auch für weniger Geld in der mauen Gemeindekasse und gegebenenfalls für höhere Steuern aus. Ob sich das allen bewusst ist, ist fraglich – auch wenn die Einnahmen einer realisierten Deponie Bleiki erst in fünf bis zehn Jahren gesprudelt wären. Die Hoffnungen liegen nun auf dem grossen Logistik-Zentrum von Digitec-Galaxus (auch dieses generiert Mehrverkehr und Immissionen...).

In der Gemeinde Rafz stehen Projekte an, welche Geld – viel Geld – kosten, u. a. Schule, Alterszentrum und Hochwasserschutz – und die Gemeindefinanzen sind sehr angespannt. So müssen neue Projekte nun verschoben oder vielleicht sogar gänzlich gestrichen werden, damit die Verschuldung der Gemeinde nicht noch weiter ansteigt.

Und auch gestern in der so wunderbar gelebten direkten Demokratie, welche so einzigartig wie fantastisch ist, wird klar: Man will den eigenen Dreck nicht in seinem Haus, sondern lieber in Nachbars Garten – selbst wenn es etwas teurer ist. Diesen Luxus kann man sich aktuell vielleicht noch leisten – aber wie lange geht das gut?

Der unterlegene Gemeinderat muss seine aus der Abstimmungsniederlage entstandenen Wunden lecken. Viel Zeit bleibt nicht – es geht nun darum, die Schulden bzw. die neuen wichtigen Projekte in den Griff zu kriegen. Dies gilt für die aktuelle Legislatur in der aktuellen Zusammenstellung des Gemeinderates wie auch für die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte nach den Erneuerungswahlen im Jahr 2026.

Und wenn wir schon bei den Deponien und der dazugehörigen Diskussion sind: Die meisten Gemeinden, in denen Deponien geplant sind, haben kaum Mitspracherecht, da das betroffene Landstück meist Privaten und nicht den Gemeinden gehört. Nach dem Entscheid in der Gemeinde Rafz wird der Widerstand in anderen Kommunen jedoch kaum geringer – eben nach dem Prinzip: Man ist sich selbst der Nächste, und eine Deponie in der eigenen Gemeinde will niemand – auch wenn jeder von uns Abfall produziert.

 

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Die weiteren Resultate der bemerkenswerten Gemeindeversammlung von Rafz vom 16. Juli 2026:

Gemeinde Rafz und WPP AG passen Zusammenarbeit an veränderte Pflegebedürfnisse an

Neue Leistungsvereinbarung für Pflegeheim Peteracker wird einstimmig angenommen

Darum ging es: Die Gemeinde Rafz und die Wohnen und Pflege Peteracker AG (WPP AG) haben eine überarbeitete Leistungsvereinbarung abgeschlossen, die das bisherige Abkommen aus dem Jahr 2022 ersetzt. Anlass für die Neufassung ist die Verselbständigung des Alters- und Pflegeheims Peteracker sowie die veränderten Rahmenbedingungen in der Pflegeversorgung.

Die neue Vereinbarung legt verbindlich fest, welche Dienstleistungen die WPP AG im Bereich Pflege und Betreuung für die Bevölkerung von Rafz erbringen muss. Dabei wird der Fokus neu verstärkt auf Qualität und Zielerreichung gelegt, anstelle von starren Vorgaben.

Weiterhin garantiert sind zentrale Pflichtleistungen wie Kurzzeit- und Langzeitpflege, Demenzbetreuung sowie Übergangspflege. Die Vereinbarung wurde zudem verschlankt, klarer formuliert und in ihrer Kostenregelung konkretisiert. Ziel ist eine bedarfsgerechte, flexible und zukunftsfähige Versorgung der Rafzer Bevölkerung im Pflegebereich.

Dem Antrag des Gemeinderats stimmte die Gemeindeversammlung einstimmig zu.

Sozialbehörde Rafz wird aufgelöst

Gemeinderat wird Aufgaben im Sozial- und Asylbereich künftig selbst übernehmen – Stimmberechtigte entschieden sich klar für die Änderung der Gemeindeordnung

Darum ging es: Die Gemeinde Rafz plant, ihre Sozialbehörde per Ende Juni 2026 aufzulösen. Grund dafür ist die deutlich reduzierte Aufgabenlast der eigenständigen Kommission, die derzeit für den Sozial- und Asylbereich zuständig ist. Die bisherigen Tätigkeiten sollen künftig direkt vom Gemeinderat übernommen werden.

Die Sozialbehörde ist aktuell eine separate Behörde innerhalb der kommunalen Organisation. In den letzten Jahren habe sich jedoch gezeigt, dass der Aufwand im Sozial- und Asylbereich zurückgegangen sei und eine eigenständige Kommission in dieser Form nicht mehr zeitgemäss sei, so die Begründung des Gemeinderats.

Mit der geplanten Strukturänderung würden auch die jährlichen Behördenentschädigungen in der Höhe von rund 46'800 Franken entfallen. Um bei Bedarf dennoch auf spezifisches Fachwissen zurückgreifen zu können, sieht das Modell vor, dass der Gemeinderat künftig bei Bedarf eine Sozialkommission oder eine Alterskommission einsetzen kann.

Positive Rechnung 2024, wegen Investitionen zu hohe Verschuldung

Gemeinderat Roman Neukom präsentiert einen erfreulichen Abschluss für das Jahr 2024. Die Erfolgsrechnung schliesst mit einem Ertragsüberschuss von etwas mehr als 2,5 Millionen Franken – deutlich mehr als budgetiert. Nichtsdestotrotz sieht die Finanzlage der Gemeinde alles andere als rosig aus: Es findet und fand eine laufende Aktualisierung der Finanzplanung statt. Dabei sind die neusten Zahlen aus den verschiedensten Projekten eingeflossen. Die Ergebnisse wurden bereits veröffentlicht.

Die Zahlen zeigen, dass sich die Gemeinde weitere Investitionen nicht leisten kann. Investitionen müssen drastisch reduziert bzw. «geglättet» werden. Neu werden Investitionen auf zehn statt fünf Jahre verteilt. Entsprechend müsse man sich bei der Schule auf flexiblen und modularen Schulraum konzentrieren; Sanierungen werden auf zehn Jahre geplant.

Fazit: Die hohe Verschuldung ist keine Unbekannte. Man musste und müsse handeln – eine weitere Zunahme der Verschuldung ist trotzdem zu erwarten. Die Einnahmen aus dem Projekt Bleiki werden nun nicht in die Gemeindekasse fliessen. Offen ist zudem der Entscheid und die potenziellen Einnahmen aus dem geplanten Verteilzentrum von Digitec-Galaxus.

Die Jahresrechnung wurde diskussionslos angenommen.

Die Kreditabrechnung zum Anbau Ost der Schule Schalmanacker wurde einstimmig genehmigt.

 

 

 

pw